Rollbalken gegen ungemütliche Konkurrenz

Die Sozialpartner stecken argumentativ noch im vorigen Jahrhundert.

Wer die jetzt in Wien wieder aufgeflammte Ladenschlussdebatte lang genug mitverfolgt hat, kommt zwingend zu dem Schluss, dass die Sozialpartner intellektuell und argumentativ in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stecken geblieben sind. Seit vierzig Jahren hört man nämlich in Endlosschleife die immer gleichen und immer noch gleich falschen Argumente dafür, wieso alles so bleiben muss, wie es ist.

Dass seither ein paar damals mit denselben Argumenten bekämpfte Schritte (etwa die Erweiterung der Öffnungszeiten am Abend und samstags) geschehen sind, ohne dass das Land sozial verödet, tut dem sozialpartnerschaftlichen Starrsinn keinen Abbruch.

Man versteht es ja irgendwie: Die Gewerkschaft hat ihre in Beschäftigung stehenden Mitglieder vor vermuteten Nachteilen zu schützen. Dass eine Ausweitung der Handelszeiten bei gleichzeitig gleich bleibender Obergrenze für die Wochenarbeitsstunden zwingend neue Jobs schafft, muss sie nicht interessieren. Und die Handelssektion der Wirtschaftskammer versteht sich seit eh und je als Instrument zur Verhinderung von ungemütlichem Wettbewerb.

Nur so sind etwa die von der Wiener Kammer vorgelegten Pläne zu verstehen, in der Bundeshauptstadt nur bestimmte Straßenzüge für die Sonntagsöffnung vorzuschlagen. Unter anderem mit dem Argument, man habe errechnet, dass sich offene Geschäfte dort am Sonntag rechnen.

Da zahlt man als Unternehmer doch gern einen Zwangsbeitrag, wenn einem die Kammer das abnimmt, wozu man selbst nach Kämmerermeinung offenbar nicht fähig ist: nämlich der Entscheidung darüber, ob sich ein Geschäft für einen irgendwo lohnt oder nicht.

Staatssekretär Harald Mahrer hat in der „Presse am Sonntag“ eine schöne Definition von Freiheit geliefert: Sie werde dort unzulässig eingeschränkt, wo der Staat aus paternalistischen Überlegungen vorzuschreiben versuche, wie jemand leben soll. Vielleicht könnte er den Kämmerern einmal, so von Wirtschaftsbündler zu Wirtschaftsbündler, den Begriff „unternehmerische Freiheit“ buchstabieren. Der scheint dort nämlich nicht übertrieben populär zu sein.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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