Die EZB macht nicht nur die Reichen reicher

Wer Ungleichheit bekämpfen will, muss Eigentum fördern.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht auf – und beschleunigt wird das noch durch die Geldschwemme der Notenbanken, die zu starken Wertsteigerungen bei Aktien und Immobilien, den klassischen Millionärsanlagen, führt. Richtig, oder?

Nein, nicht ganz: Die Deutsche Bundesbank ist diesen Effekten neulich in einem Diskussionspapier mit dem schönen deutschen Titel „Distributional Consequences of Asset Price Inflation in the Euro Area“ nachgegangen – und zu bemerkenswerten Ergebnissen gekommen. Im Aktienbereich stimmt demnach das herrschende Vorurteil: Da führt die Preisinflation zu einem Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich.

Bei Immobilien sieht das aber völlig anders aus: Da ist die Schere (gemessen am sogenannten Gini-Koeffizienten) durch die Preissteigerungen sogar zugegangen. Freilich unterschiedlich intensiv. Am stärksten ist der Immo-Gini-Koeffizient in Spanien, Holland und Finnland gesunken. Also in Ländern mit hohem Anteil an Wohnungseigentum. Am wenigsten hat sich die Schere in Deutschland, Italien und Österreich bewegt. Also in traditionellen „Mietländern“.

Schön, das jetzt auch offiziell bestätigt zu bekommen, aber grundsätzlich ist der Weg zu dieser Erkenntnis keine Raketenwissenschaft, sondern Minimallogik: Wer einen Wohnungskredit abstottert, schafft sich Vermögen (das von Asset-Preis-Inflation noch aufgeblasen wird). Wer Miete zahlt, bildet auch Vermögen – aber nur beim Vermieter.

Eine Politik, die Ungleichheit bekämpfen will, muss also Eigentumsbildung fördern. Ist das für unsere genossenschaftsgeschädigte Politik wirklich so schwer zu verstehen?

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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