Gegen Versagen der Politik hilft keine Geldflut

Auch die gekappten Konjunkturprognosen sind zu optimistisch.

Die Geldschwemme der EZB erzielt nicht die gewünschte Wirkung: Die Euro-Konjunkturprognose musste am Donnerstag erneut gesenkt werden, die Deflationsgefahr steigt statt zu sinken, vom Anspringen der Nachfrage nach Investitionskrediten ist weit und breit nichts zu sehen. Deshalb überlegt EZB-Chef Draghi auch schon – richtig: das weitgehend unwirksame, aber mit der Gefahr von Nebenwirkungen verbundene Staatsanleihenkaufprogramm auszuweiten.

Man sollte aber nicht zu sehr auf die Euronotenbank hinhauen. Herr Draghi hat, wie seine Kollegen etwa in New York oder Tokio, nicht viel mehr Möglichkeiten als das Drehen am Geldhahn. Das war als Notmaßnahme gegen den Totalabsturz des Finanzsystems auch richtig, ist als Dauermedikamentation, wie unterdessen auch Notenbanker zugegeben, aber nicht nur wirkungslos, sondern sogar kontraproduktiv.

Der frühere Bundesbank-Chef und jetzige UBS-Verwaltungsrat, Axel Weber, hat das diese Woche auf den Punkt gebracht: Die EZB hat den Politikern der Eurozone mit dem Anleihenkaufprogramm Zeit für Reformen gekauft. Die haben diese Zeit nicht nur nicht genutzt, sondern die niedrigen Zinsen für eine Fortsetzung ihrer Schuldenpolitik missbraucht. Selbst der Euro-Musterknabe Deutschland lebt ja weitgehend von den Schröder-Reformen aus dem vorigen Jahrzehnt und ist dabei, aktuell einen Reformstau aufzubauen.

Die Prognosen, dass es konjunkturell im nächsten Jahr jetzt aber wirklich aufwärts gehen wird, sind deshalb ein bisschen unrealistisch. Zu den drängendsten Reformen in Europa gehört beispielsweise eine Struktur- und Institutionenreform der Eurozone und der EU selbst. Wie soll eine Gemeinschaft, die – von Maastricht bis Schengen – keine einzige ihrer Vereinbarungen intern umsetzen kann, eine konsistente Finanz- und Wirtschaftspolitik auf die Reihe bringen?

Die europäische Wirtschaft leidet nicht unter zu restriktiver Geldpolitik, sondern unter großflächigem Politik- beziehungsweise Politikerversagen. Dagegen, das ist die wirklich schlechte Nachricht, kommt man mit Gelddrucken leider nicht an.

Emails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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