Fällt Herr Schelling wirklich um?

Wozu brauchen wir eine Regierung, wenn es Landesfürsten gibt?

Herr Schelling ist als Finanzminister insofern ein Glücksfall, als er (ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern und -innen) einige ungelöste Probleme offen angesprochen und deren Reparatur angekündigt hat. Beispielsweise die Sache mit den intransparenten und uneinheitlichen Rechenwerken der Länder. Ein Zustand, der genau genommen staatsgefährdend ist, weil er den wahren finanziellen Zustand der Republik ganz im Sinn der Landesfürsten erfolgreich verschleiert.

Leider dürfte es aber bei der Durchsetzungsfähigkeit ein wenig hapern: Das Ganze soll jetzt nämlich nicht im Rahmen einer Verordnung, sondern in Form einer sogenannten § 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden. Solche Vereinbarungen sind erstens sehr weich. Sie regeln beispielsweise die Länderasylquoten und das Spekulationsverbot. Und das funktioniert doch alles bestens, oder etwa doch nicht?

Zweitens sind 15a-Vereinbarungen ein wunderbares Instrument zur Schaffung von Intransparenz. Eine Reihe solcher Vereinbarungen dient beispielsweise ausschließlich dazu, Finanzströme vom Bund zu den Ländern am Finanzausgleich vorbeizuschummeln. Transparenz schaffen, indem man die Intransparenz vergrößert – das kann wirklich nur österreichischen Föderalisten einfallen.

An der einheitlichen Rechnungslegung, die in einem Staat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wird, wir haben das hier schon öfter bekrittelt, seit nunmehr 41 Jahren ergebnislos herumgeschustert. Zahlreiche Finanzminister haben die heiße Kartoffel einfach weitergekickt, weil sie sich nicht mit den Landeskaisern anlegen wollten. Dabei hätten sie eine solche einfach verordnen können. Die Verordnungsermächtigung ist ja kein „Drüberfahren“, sondern geltendes Finanzverfassungsrecht.

Wenn auch Herr Schelling hier einknickt, dann können wir die Bundesregierung gleich durch die Landeshauptleutekonferenz ersetzen. Kommt billiger – und der Effekt ist derselbe. Um eine bittere Feststellung kommen wir aber nicht herum: Dieses Land ist in den bestehenden Strukturen offenbar wirklich nicht reformierbar.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2015)

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