Wenn Verlust der Kontrolle auf Stillstand trifft

Die Wirtschaftsleistung pro Kopf geht schon seit einigen Jahren zurück.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sei in Österreich in den letzten sieben Jahren nur sehr langsam gestiegen, sagt die OECD. Jedenfalls deutlich langsamer als im OECD-Schnitt oder auch in Deutschland. Das ist alarmierend, denn die Entwicklung der Wirtschaftsleistung pro Kopf ist der wesentlich aussagekräftigere Indikator als das bloße BIP-Wachstum.

Was freilich noch alarmierender ist: Die OECD hat eine für Österreich freundliche Zeitreihe gewählt, als sie diese 2007 beginnen ließ. Seit 2010 sinkt das Pro-Kopf-BIP real nämlich. Und zwar immer schneller. Genau genommen stecken wir also seit fünf Jahren in einer Art Rezession.

Wer sich die Daten ansieht, wundert sich auch nicht sonderlich. Wachstum haben wir nämlich vorwiegend bei den Arbeitslosenzahlen. Und besonders „dynamisch“ entwickelt sich die Zahl der Mindestsicherungsbezieher.

Dass das reale Pro-Kopf-BIP sinkt, während die Statistiker noch minimale BIP-Zuwachsraten berichten, hat einen Grund: Die Bevölkerung wächst in Österreich seit fünf Jahren schneller als die Wirtschaft. Wenn sich mehr Menschen einen nicht wesentlich größer werdenden Kuchen teilen müssen, bleibt für den Einzelnen eben weniger übrig.

In den nächsten Jahren wird sich diese Entwicklung noch deutlich beschleunigen, zumal ja die schwächste Regierung seit Beginn der Aufzeichnungen die Kontrolle über die Ein- und Durchreise nahezu vollständig verloren beziehungsweise aufgegeben hat.

Unter diesem Aspekt ist die Entwicklung besonders kritisch zu sehen. Denn der in den vergangenen Tagen viel gebrauchte Ökonomenschmäh, dass eine forcierte Einwanderung automatisch einen Konjunkturschub auslöse, hat sich in den vergangenen fünf Jahren als genau das entpuppt: als Schmäh.

Das funktioniert nur, wenn Einwanderung gezielt erfolgt und die Wirtschaft das regulatorische und steuerliche Umfeld für ihre „Entfesselung“ vorfindet. Wenn unkontrollierte Einwanderung auf wirtschaftspolitischen Stillstand trifft – dann können wir uns wohl auf etwas gefasst machen, das wir uns so eher nicht gewünscht haben.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)

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