Ein Thinktank mit Klubzwang?

Der Bundesrat stellt sich die Sinnfrage – und beweist dabei Humor.

Dass die Länderkammer des Parlaments, der Bundesrat, eine Neupositionierung dringend nötig hat, sagen nicht nur Politikwissenschaftler schon lang. Die zum Abnickgremium verkommene zweite Kammer des Parlaments stellt sich ja selbst schon regelmäßig die Sinnfrage.

Was dabei herauskommt, ist freilich Kabarett vom Feinsten. Der Präsident des Hauses hat etwa neulich, nach einer Enquete zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“, ernsthaft gemeint, die Positionierung solle in Richtung „Thinktank der Republik“ gehen. Nein, ehrlich, wir machen wirklich keine Witze!

Ohne den Mitgliedern dieses Hohen Hauses persönlich nahetreten zu wollen: Einen von Landespolitikern personell beschickten Thinktank mit Klubzwang oder, wie man das netter sagt, Fraktionsdisziplin, stellt man sich irgendwie anstrengend vor. Da werden neue, unkonventionelle Ideen, die dann von der Regierung auch gleich umgesetzt werden, nur so sprudeln.

Der Bundesrat hat in der Gesetzgebung nur sehr schwache Einspruchsrechte– und selbst diese nutzt er im Regelfall nicht aus. In dieser Form ist er also ein klassischer Einsparungsposten im Rahmen einer Staatsreform. Die Parlamentsparteien sehen das offensichtlich selbst so, wie man an der Beschickung erkennt. Das Gremium gilt ja als Übungswiese für hoffnungsvolle Jungpolitiker einerseits und als Ausziehstüberl für altgediente Politveteranen, die dort teilweise die fehlenden Monate auf die Politikerpension absitzen, andererseits.

Diese Institution gehört entweder ordentlich aufgewertet (etwa zur echten Länderkammer, die dann auch etwas bewegen kann). Dann muss man sich aber auch mit der Mitgliedschaft der Bundesräte in den jeweiligen Parlamentsklubs ihrer Parteien befassen. Denn Abgeordnete, die die gleichen Anordnungen befolgen wie ihre Kollegen im Nationalrat, werden wohl nicht das Korrektiv bilden können, als das die zweite Kammer gedacht gewesen ist.

Oder man muss die Tragikomödie beenden. Aber ein politisches Abnickgremium zum „Thinktank der Republik“ hochzustilisieren – das ist wirklich nur noch lächerlich.

Emails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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