Wenn die Konjunkturlok heftig schnauft

Auch in Deutschland wachsen nur noch die Staatsausgaben richtig.

Die europäische Konjunkturlokomotive gerät ganz ordentlich ins Schnaufen: Im dritten Quartal ist das deutsche BIP nur noch um 0,3 Prozent gewachsen. Und das nur dank spendierfreudiger Verbraucher, die den Konsum ordentlich in die Höhe getrieben haben, hören wir von deutschen Ökonomen.

Man muss das jetzt nicht überbewerten, denn das dritte Quartal ist traditionell ein eher schwaches. Aber es lohnt sich, ein bisschen tiefer hinter den Spin dieser Meldung zu blicken. Die privaten Konsumausgaben zeigen mit 0,6 Prozent Zuwachs nämlich alles andere als einen Konsumboom an. Ein doppelt so hohes Wachstum weist dagegen der sogenannte Staatskonsum aus. Und zwar überwiegend wegen der hohen Ausgaben für die Flüchtlingswelle, die die deutschen Staatsausgaben im Spätsommer so stark anwachsen ließ wie seit dem Krisenjahr 2009 nicht mehr.

Bei einer Staatsquote von 44 Prozent heißt das: Ohne diese Sonderkonjunktur wäre das BIP sogar leicht gesunken. Dieser steuerfinanzierte Konjunkturimpuls wird zwar weitergehen (und das noch mit Budgetüberschüssen gesegnete Deutschland muss sich vorerst dafür nicht einmal neu verschulden), aber er ist natürlich nicht nachhaltig und wird bald an Grenzen stoßen. Selbst der SPD-Chef tritt in der Flüchtlingsfrage ja schon für Obergrenzen, pardon: Kontingente (das deutsche Pendant zum „Türl mit Seitenteilen“) ein.

Die Wirtschaftspolitik würde also (nicht nur in Deutschland) gut daran tun, auf die andere Seite der Medaille zu blicken. Dorthin, wo das Geld für den Staatskonsum erarbeitet wird. Dort sieht man einen weiteren Rückgang der Investitionen um 0,6 Prozent. Das Unternehmervertrauen in die weitere wirtschaftliche Entwicklung also ist ganz offensichtlich schwer angeknackst – und gehört schnell wieder hergestellt.

Das schafft man, wie man sieht, schon lang nicht mehr mit herkömmlichen Konjunkturprogrammen. Ist der Gedanke, einmal mit dem Wegräumen der administrativen, steuerlichen und ideologischen Prügel zu beginnen, die das Wirtschaften so erschweren, in europäischen Polit-Zirkeln wirklich so abwegig?

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2015)

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