Aufstand im industriellen Kernland

Den Industriellen reicht es – und ihr Protest ist ungewöhnlich scharf.

In Oberösterreich, dem industriellen Kernland Österreichs, hat sich neulich Ungewöhnliches ereignet: Die Chefs von 40 großen Industriebetrieben – von Voestalpine bis KTM – haben der (den meisten von ihnen politisch nicht gerade fernstehenden) Landesregierung eine „Deklaration zum Standort Oberösterreich“ hingeknallt, in der sie höchsten Unmut über die reformresistente Wirtschaftspolitik äußern. „Da schauen wir nicht länger tatenlos zu“, hat es geheißen.

Das Ganze ist kein Wunder: Das „Absandeln“ des Wirtschaftsstandorts Österreich, manifestiert im permanenten Rückfall in allen internationalen Rankings, macht sich ja als Erstes bei den exportorientierten Unternehmen bemerkbar.

Bisher haben die Industriellen dagegen nobel im Hintergrund lobbyiert, doch jetzt ist ihnen ausgerechnet im Kernland der Exportindustrie (das ja, ganz nebenbei, zu den wirtschaftspolitisch besser geführten Bundesländern gehört) der Kragen geplatzt. Und das ist gut so, denn argumentativ allein ist der Stillstand, der dieses Land lähmt, nicht aufzubrechen. Dazu gehört auch eine ordentliche Portion politischen Drucks. Am besten über Parteigrenzen hinweg und auch auf die „eigenen“ Politiker ausgeübt.

Und zwar nicht nur von den Industriellen. Wenn die industrielle Basis wegbricht – was mittelfristig bei einem Anhalten der wirtschaftspolitischen Lähmung durchaus im Bereich des Möglichen liegt –, dann werden das alle spüren. Allein die 40 Unternehmen, denen es jetzt zu bunt geworden ist, beschäftigen beispielsweise rund 200.000 Mitarbeiter. Man kann also davon ausgehen, dass allein an ihnen rund eine halbe Million Existenzen hängt. In einem einzigen Bundesland.

Bei allen unterschiedlichen Partikularinteressen wäre es also schön, wenn dieser Aufschrei eine breitere Basis bekäme. Denn die Wirtschaftskraft und damit das Wohlstandsniveau dieses Landes zu erhalten kann ja nicht nur das Interesse von ein paar Konzernlenkern sein. Und: Das Hauptproblem lässt sich ganz eindeutig nicht in Linz, wo sich gerade der Unmut entlädt, verorten, sondern es ist im Bund in Wien zu Hause.

Wünschenswert wäre also, wenn sich der Protest länder- und ideologieübergreifend artikulierte. Über die Verteilung des Erarbeiteten kann man natürlich trefflich streiten. Aber die Basis des Ganzen ist nun einmal, dass es überhaupt etwas zu verteilen gibt.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)

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