Von deutschen Wundern und hiesigen Plagen

Jobs fehlen? In der Politik gäbe es genug zu tun.

Der Schneemangel ist eine Laune der Natur. Der heimische Jobmangel aber ist nicht vom Himmel gefallen – auch wenn der Sozialminister dies mit stummem Seufzer suggeriert. Ach, die Konjunktur will nicht anspringen! Ach, wie viele Schutzbedürftige drängen in unser schönes Land und somit auf den Arbeitsmarkt!

Man sieht förmlich Hundstorfers Schultern zucken: Es muss ein ungnädiges Schicksal sein, das die Zahl der Arbeitslosen immer weiter steigen lässt. Ist es nicht, wie ein Blick über die Grenze zeigt.

In Deutschland findet gerade ein Wirtschaftswunder statt: Noch nie seit der Wiedervereinigung gab es so wenig Arbeitslose. Die Deutschen erklären ihre gute Konjunktur mit dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Euro und der Erholung im Währungsraum. Komisch, gälte alles auch für uns.

Und wer hat im Vorjahr über eine Million Flüchtlinge aufgenommen? Ach ja, auch die Deutschen. Jetzt haben sie, wie wir, einen Rekordstand bei den Beschäftigten. Nur ist er ihnen ein Grund zur Freude – weil anders als hierzulande zugleich auch die Arbeitslosigkeit sinkt.

Ein Wunder? Wohl eher harte Arbeit – auch wenn die klugen Reformen, für die Deutschland immer saftigere Früchte erntet, lang zurückliegen. Muss die Politik nur alle zehn Jahre ein paar Dinge richtig machen, um in einer gut aufgestellten Wirtschaft gewaltige Produktivkräfte zu entfesseln?

Das gälte leider auch vice versa für Österreich: Selbst der flotteste Karren bleibt im Reformstau stecken, wenn man lang genug Sand ins Getriebe streut. Etwa durch saftige Gebührenerhöhungen, die jahrelang für eine weit höhere Teuerung als rundum sorgen. Damit können Tarifpartner nichts mehr richtig machen: Erhöhen sie die Löhne entsprechend, leiden Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Halten sie sich zurück, sinken Kaufkraft und Konsum. Ringen sie, wie es tatsächlich geschehen ist, um einen Mittelweg, passiert ein bisschen beides. Und leise kriselt die Wirtschaft.

Aber nun schlägt es ja 2016, das Jahr der glorreichsten Steuerreform seit Einführung des Zehents – auch wenn sie nur für einige Zeit die kalte Progression korrigiert und die Unternehmen leer ausgehen lässt. Im Übrigen hoffen unsere Politiker auf jene wundersame Konjunkturerholung, die ihnen die Auguren verheißen. Wir skeptischen Bürger hoffen zum Jahresstart lieber nichts. Aber wir würden der Regierung gern, mit unserem Steuergeld, etwas finanzieren: einen lehrreichen Betriebsausflug nach Berlin.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Jobmarkt: Was die Deutschen besser machen

Die gute Konjunktur sorgt in Deutschland für Rekordbeschäftigung und niedrige Arbeitslosigkeit. In Österreich dürften dagegen schon bald 500.000 Menschen auf Jobsuche sein.
Archivbild
Österreich

Arbeitslosigkeit im Dezember um 6,1 Prozent höher als 2014

Mehr als 475.000 Menschen waren im Dezember in Österreich ohne Job. Die Arbeitslosenquote ist damit auf 10,6 Prozent gestiegen. Die stärkste Zunahme war bei Ausländern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.