Die seltsame Welt der Wohngenossen

Annuitäten für einen bereits getilgten Kredit? Was es nicht alles gibt . . .

Im österreichischen Kuriositätenkabinett wenden wir uns heute der Unterabteilung Genossenschaftlicher Wohnbau zu. Sie wissen schon: Wohnbaugenossenschaften sind jene meist sehr parteipolitiknahen Bauträger, die Mietern mittels öffentlicher Förderungen zu meist nicht mehr ganz billigen, aber immer noch vergleichsweise günstigen Wohnungen verhelfen, und Wohnbauparteiapparatschiksmanchmal zu sehr günstigen öffentlich geförderten Penthouse-Sammlungen.

Ein Mieter einer solchen Wohnhausanlage, ein Wohngenosse sozusagen, hat sich neulich bei der „Presse“ darüber beschwert, dass ihm seine Wohnbaugenossenschaft auf die Frage, wann denn der Kredit für die Errichtung der Anlage getilgt sei, nur vage und ausweichende Antworten gegeben habe. Er meine, der Kredit müsste längst abgezahlt sein. An seiner Miete, die ja auch Annuitäten für die Rückzahlung dieses Kredits enthalte, könne er das aber nicht ablesen. Und das sei irgendwie seltsam.

Auch wir finden die Zugeknöpftheit der Genossenschaft komisch. Denn es hat ja alles seine Ordnung. Wir befinden uns in diesem Biotop schließlich nicht im Einflussbereich westlicher Marktwirtschaft, sondern in einer rot-schwarzen Genossenschaftsbonzokratie. Und in einem solchen System hören Annuitätenzahlungen ja nicht einfach deshalb auf, weil der dazugehörige Kredit getilgt ist. Wer denkt denn so neoliberal-finanzkapitalistisch!

Im Gegenteil: Man hat hier die sogenannte Auslaufannuität erfunden, die es ermöglicht, Kreditraten auch nach Tilgung des Kredits ungerührt weiterzuverrechnen. Ganz legal und wohnbaugesetzlich abgesichert. Natürlich zusätzlich zu den normalen Zahlungen für Reparaturrücklagen etc. Das Geld muss nur irgendwie für den Wohnbau verwendet werden.

Ein bisschen unverschämt, nicht? Aber nicht unverdient. Denn den großen Aufschrei der unterdessen schon sehr zahlreichen Auslaufannuitätenzahler gegen diese besondere Blüte des rot-schwarzen Wohnbausumpfs ist bisher ausgeblieben. Also eh kein Grund, sich über solche Beutelschneiderei aufzuregen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

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