Der Minister, den in Europa niemand will

Die EU braucht keinen Finanzminister, sondern glaubwürdige Politik.

Diese Diskussion hat Europa notwendig wie einen Kropf: Die Notenbankchefs von Frankreich und Deutschland plädieren für die Schaffung eines Euro-Finanzministeriums, an das die Euroländer Finanzkompetenzen übertragen. Als „theoretische Option“, wie der Bundesbank-Chef zurückrudernd einschränkte.

Theoretisch ist das tatsächlich eine gute Idee. Eine Währungsunion kann nämlich nur in zwei Konstellationen funktionieren: Entweder es gibt eine halbwegs einheitliche Finanzpolitik (das ursprüngliche Modell Euro), oder die Unionsmitglieder vollziehen die Währungspolitik eines Landes eins zu eins nach (das frühere österreichische Erfolgsmodell „Hartwährungspolitik“ mit seiner D-Mark-Bindung).

Weder das eine noch das andere ist derzeit der Fall, weshalb wir auch von einer Euro- und Schuldenkrise in die nächste taumeln. In dieser Konstellation, da hat Bundesbank-Chef Weidmann schon recht, gehören Euro und EU zu den gefährdeten Spezies.

Aber: Ein Euro-Finanzministerium, das nicht völlig in der Luft hängt, würde eine Europa-Regierung bedingen, also eine Art Vereinigte Staaten von Europa. Nicht, dass das schlecht wäre. Aber das will so gut wie niemand, dafür gibt es in der Eurozone zur Zeit sicher keine Mehrheit. Daran sind nicht unwesentlich die Eurozonen-Politiker selbst schuld. Und der Vertrauensverlust, der dadurch entstanden ist, dass auf EU-Ebene von Dublin bis Maastricht so gut wie keine Vereinbarung umgesetzt werden kann, wird sich auf absehbare Zeit nicht reparieren lassen.

Die Notenbanker sollten ihre Träume (auch wenn diese, wie gesagt, theoretisch nicht unvernünftig klingen) also schnell wieder vergessen und besser ihre Regierungen darauf drängen, bestehende Vereinbarungen endlich umzusetzen. Die (auch von Deutschland und Frankreich vielfach verletzten) Maastricht-Kriterien etwa sind seit 1992 für alle EU-Staaten geltendes Recht. Ihre Einhaltung endlich entsprechend zu sanktionieren (bis hin zum temporären Ausschluss aus der Eurozone) wäre die entschieden bessere Idee, als die Europäer mit unrealistischen Träumereien zu verunsichern.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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