Wie die EZB Staatsschulden befeuert

Die schlechte Nachricht: Notenbanken haben kein Rezept gegen die Krise.

Vor ein paar Wochen war „Helikoptergeld“ – also die direkte Konsumfinanzierung durch frisch „gedrucktes“ und verteiltes Notenbankgeld – noch abenteuerliche Science-Fiction. Und jetzt ist es plötzlich ernsthaftes Thema unter Notenbankern geworden: EZB-Chef Draghi hat sich dazu geäußert („interessantes Konzept“), Bundesbank-Chef Weidmann hat sich zu einer Stellungnahme bemüßigt gefühlt („das müssen Regierungen entscheiden, die Notenbank hat kein Mandat“), und EZB-Chefvolkswirt Praet hat gemeint, alle Notenbanken könnten dieses „extreme Mittel“ einsetzen. Theoretisch zumindest.

Das Geldverschenken zur Konjunkturankurbelung ist also offenbar zu einem ernsten Thema unter Notenbankern geworden. Selbst der innere Kreis der EZB beginnt demnach, an der Wirksamkeit der gewählten Form der ultralockeren Geldpolitik zu zweifeln.

Die Erkenntnis, dass das so nicht funktionieren kann, ist ja nicht allzu schwer: Wenn man den Banken Liquidität zur Verfügung stellt, ihnen gleichzeitig aber schärfere Vergabekriterien für Kredite vorschreibt, dann kommen die EZB-Milliarden über diese Schiene eben nicht zu den Konsumenten.

Und wenn man gleichzeitig (durch die Nichtunterlegungspflicht für Staatsanleihen) dafür sorgt, dass Staatsfinanzierung wesentlich lukrativer ist als Unternehmensfinanzierung, dann darf man sich eben nicht wundern, dass das Notenbankgeld eher in diese Richtung fließt. Quantitative Easing ist also ein Staatsschulden-Ankurbelungs- und Spekulationsblasen-Aufpump-Programm, nicht mehr.


Tatsächlich reißt in den Staatsbudgets zunehmend wieder der Schuldenschlendrian ein. Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur Bloomberg werden heuer immerhin acht EU-Länder die Drei-Prozent-Defizit-Grenze reißen. Darunter die großen Volkswirtschaften Großbritannien, Spanien und Frankreich. Allerdings: Offensichtlich verwenden Regierungen das Geld so ineffizient, dass es auch über diese Schiene nicht in den Konsum findet.

Fazit: Mit Geldpolitik allein ist der Krise nicht beizukommen. Die Lehre daraus kann aber nicht sein, noch extremere Instrumente als „Helikoptergeld“ zu versuchen. Jetzt sind einmal die Staaten mit Strukturreformen dran. Wenn sie das nicht schaffen, helfen Notenbank-Geldschwemmen auch nichts. So weit sollte der Erkenntnisstand eigentlich schon gediehen sein.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2016)

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