Hilfe, man will uns einen Feiertag klauen!

Gut, dass die Politik die wirklich essenziellen Themen anspricht.

Am Ende dieser Woche droht ein sozialpolitischer Skandal, der nach beherztem politischem Eingreifen geradezu schreit: Der 1. Mai, ein gesetzlicher Feiertag, fällt auf einen Sonntag. Wir fallen also um einen freien Tag um.

In Deutschland tobt deshalb schon seit ein paar Tagen eine von Grünen und SPD-Politikern angestoßene Diskussion, ob man gesetzliche Feiertage, die auf einen freien Tag fallen, nicht auf den nächstfolgenden Werktag verlegen sollte. In Österreich hatten wir das ja schon vorigen August, als ausgerechnet Gewerkschafter dagegen protestierten, dass sie den Marien-Feiertag an einem sowieso arbeitsfreien Samstag begehen mussten. Auch die hätten die Feiertagsmesse gern am folgenden Montag besucht.

Das zeigt aber auch, wie kleinkariert österreichische Sozialpartner und deutsche Politiker denken: Wenn man schon dabei ist, hätte man ja gleich ein wirklich großes Rad drehen und den Skandal aufgreifen können, dass alle 52 Sonntage des Jahres ins ohnehin freie Wochenende fallen. Die auf Montag zu verlegen, würde man dann endlich auch volkswirtschaftlich bemerken.

Wie etwa in Venezuela, wo der öffentliche Dienst wegen des herrschenden Energiemangels künftig nur noch „unbedingt notwendige Dinge“ erledigt und die Arbeitswoche deshalb schon am Dienstag beendet. Was wiederum den Umkehrschluss zulässt, dass der öffentliche Dienst an drei Tagen der Woche unnotwendige Dinge...


Ach, lassen wir das. Wir sehen jedenfalls beruhigt, dass sich unsere Oberen mit den wirklich essenziellen Problemen unseres wirtschaftlichen Gemeinwesens befassen. Da bleibt natürlich keine Zeit für nebbiche Nebenthemen, wie etwa den vorgestern bekannt gewordenen Umstand, dass die Lohnkosten der Unternehmen in Deutschland viel stärker steigen als die daraus gespeisten realen Nettolöhne. Und dass diese Kosten in Österreich noch stärker hinaufgehen als in Deutschland, während die daraus gespeisten realen Nettolöhne hier sogar sinken.

Sozialpartner und Wirtschaftspolitiker könnten da beispielsweise einmal nachfragen, wer die Differenz einsteckt. Ach so, wissen sie ohnehin? Die von ihnen gemanagten Staatswesen? Und sie selbst leben recht gut davon? Na gut. Dann reden wir halt wieder über wirklich wichtige Dinge: Der 1. Mai fällt heuer blöderweise auf einen Sonntag. Sollte man da nicht etwas machen?

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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