Wie man an Hand der Länder Chuzpe definiert

Intransparenten Föderalismus können wir uns nicht leisten.

Die Idee wurde 2009 geboren, operativ ist sie seit 2013: die Transparenzdatenbank, die Licht ins Dickicht der jährlich 19 ins Fördersystem geschütteten Milliarden bringen sollte. Es hat ja niemand einen Überblick darüber, was wie einfach, doppelt oder mehrfach gefördert wird und ob die einzelne Förderung überhaupt Sinn ergibt.

Gute Idee also. Nur: Die Länder boykottieren die Datenbank und befüllen sie nicht oder nur sehr mangelhaft. Dafür lassen sie regelmäßig Studien erstellen, ob diese von ihnen selbst sabotierte Einrichtung ihren Zweck erfüllt.

Die Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wollte nun per Anfrage im Wiener Landtag wissen, was die Evaluierung der Datenbank bisher ergeben habe. Die schriftliche Antwort des Wiener Bürgermeisters hat es in sich: Es bestehen Zweifel daran, ob die Datenbank zu einer Kosteneinsparung führe, weil sie ja kaum genutzt werde, heißt es darin. Außerdem: Die in der Datenbank enthaltenen Daten seien „zum Teil veraltet“. Die Aussagekraft der Daten sei „eingeschränkt“, weshalb sie als Steuerungsinstrument für die Länder nicht taugen. Und Doppelförderungen könnten schon deshalb nicht identifiziert werden, weil die Datenbank „derzeit zu diesem Zweck noch nicht verwendet“ werde. Kurzum: Ein „konkreter monetärer Nutzen“ sei „schwer zu beziffern“, man werde weiter evaluieren.

Einfach zusammengefasst: Die Länder weigern sich, die Transparenzdatenbank ordentlich zu befüllen. Und nehmen dann den daraus entstehenden wrackartigen Zustand dieses Instruments zum Anlass, dessen Sinnhaftigkeit anzuzweifeln.

Wenn jemand eine schlüssige Definition für den Begriff Chuzpe benötigt: Hier ist sie. Anschaulicher geht es nicht. Und wenn jemand ein Argument gegen den alpenrepublikanischen Gamsbart-Föderalismus braucht: Auch dafür eignet sich diese Argumentationslinie bestens. Länder, die finanzielle Transparenz so verstehen (und da ist Wien keineswegs ein Einzelfall), sollte man budgetär eindeutig stärker an die Kandare nehmen. Diese Verhöhnung sollten sich Steuerzahler nicht bieten lassen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2016)

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