Magic Christian, der große Zahlenzauberer

Was wir nicht brauchen, ist Staatssanierung per Statistikschmäh.

Eigentlich hätte an dieser Stelle eine Würdigung des neuen Regierungsstils stehen sollen: Nicht, dass die Reform der Gewerbeordnung und der Sozialversicherungen eine neue Idee wäre. Aber dass das eine Regierung endlich einmal konkret anzupacken verspricht – das hat schon was!

Leider ist uns bei diesem Vorhaben aber das bei gleicher Gelegenheit vorgeführte atemberaubende Zauberkunststück, mit dem Bundeskanzler „Magic Christian“ Kern annähernd die Hälfte der in diesem Jahr registrierten Asylwerber aus dem „Richtwert“ – Simsalabim – hat verschwinden lassen, dazwischengekommen.

Und jetzt fragen wir uns: Was kommt als Nächstes? Aufgelegt wäre beispielsweise, die 100.000 Beschäftigungssuchenden mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft aus der AMS-Statistik zu nehmen. Die könnten, rein theoretisch, ja überall arbeitslos sein, nicht wahr? Und schon ist die Arbeitslosenrate um ein Viertel niedriger. Genial! Und es wäre auch gelacht, wenn wir die Abgabenquote mit ein bisschen Herausrechnen nicht auf Schweizer Niveau bringen könnten.

Das wäre allerdings so, als würden beispielsweise hinter den steigenden Rekordgewinnen der ÖBB noch stärker steigende Zahlungen der öffentlichen Hand in das System Bahn stehen. Genau das ist der Fall? Tja... Bleiben wir ernst: Die Aufbruchstimmung nach dem Kanzlerwechsel hat Hoffnung auf die Sanierbarkeit dieses Staates gemacht. Es sieht nun aber ein wenig danach aus, als hätte man am Ballhausplatz den aus der Bevölkerung hörbaren lauten Knall zwar vernommen, aber noch immer nicht recht verstanden.

Der Asyl-Richtwertschmäh war jedenfalls das denkbar schlechteste Signal. Deshalb: Wir wollen keine Pseudo-Staatssanierung per Statistik-Akrobatik, sondern die seriöse Abarbeitung einer Agenda für die Zukunft des Landes. Also eine schonungslose Offenlegung des Istzustandes und die Präsentation von Lösungsvorschlägen mit konkreten Realisierungsvorgaben. Noch ist es dazu nicht zu spät, aber die gute Wendestimmung wird schnell vorbei sein, wenn sich die Menschen weiter gepflanzt fühlen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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