Bitte nicht das „Erfolgsmodell“ Frankreich

Weniger arbeiten und Maschinen besteuern – dafür gibt es ein Vorbild.

Prominente wirtschaftsaffine Sozialdemokraten leiden seit Samstag verstärkt unter Hals- und Nackenbeschwerden. Ausgelöst durch das viele Kopfschütteln über den von Bundeskanzler Kern in Klagenfurt präsentierten Vorschlag, die heimische Wirtschaft mittels einer Kombination aus Maschinensteuer und Arbeitszeitverkürzung in Schwung zu bringen.

Dafür gibt es ja ein bereits existierendes Modell: Frankreich hat die gesetzliche 35-Stunden-Woche und mit der „taxe professionnelle“ als letztes europäisches Land eine Art Gewerbekapitalsteuer, die starke Elemente einer klassischen Maschinensteuer aufweist.

Überall sonst ist diese wirtschaftshemmende Substanzsteuer ja schon im vorigen Jahrhundert abgeschafft worden. In Österreich übrigens vom Sozialdemokraten Ferdinand Lacina, dem wahrscheinlich letzten Finanzminister mit wirtschaftlichem Weitblick.

In Frankreich kann man sich derzeit jedenfalls erste Reihe fußfrei ansehen, wie die sozialdemokratische Regierung Hollande gerade versucht, die dortigen Auswirkungen des Kern'schen Zukunftsmodells (verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit, beschleunigte Deindustrialisierung, hohe Arbeitslosigkeit) unter Inkaufnahme heftiger sozialer Unruhen wieder wegzureformieren. Und wir sollen dieses „Erfolgsrezept“ jetzt kopieren?

Es stimmt schon: Mittelfristig werden wir in Zusammenhang mit Industrie 4.0 diskutieren müssen, wie wir weniger Arbeit neu verteilen und die Besteuerung schwerpunktmäßig von der menschlichen Arbeit wegbringen. Kurzfristig sollten wir aber vor allem den konjunkturellen Karren flottbekommen. Dazu brauchen wir keine gescheiterten Rezepte aus der Mottenkiste des vorigen Jahrtausends, sondern entbürokratisierende, investitionsfördernde Maßnahmen, die Unternehmer wieder dazu bringen, über den Ausbau heimischer Kapazitäten statt über die Abwanderung ins Ausland nachzudenken.

Aber in einem Land, in dem der Notenbankchef die Rücknahme der eigenen Konjunkturprognose mit „endlich zieht die Konjunktur an“ kommentiert, ist das wohl zu viel Realitätssinn, was da verlangt wird.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2016)

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