Das ist jetzt aber kein New Deal

Die Koalition hält in der Praxis offenbar nicht viel von „neu regieren“.

Neu regieren beziehungsweise „New Deal“ – was darf man darunter verstehen? Registrierkassenbefreiung für politische Parteien und Missbrauch von Sozialversicherungsgeld für Agrarhilfen? Das ist es zumindest, was uns die politische Praxis in den letzten Tagen beschert hat.

Man will also im Land mit europarekordverdächtiger Parteienförderung noch ein paar Schlupflöcher für steuerschonende Parteienfinanzierung offen halten. Und man versucht, mangelnde Lösungskompetenz durch den Griff in Sozialtöpfe zu kaschieren.

Beides ist in diesem Land nicht wirklich neu. Aber man hatte eigentlich gedacht, ÖVP- und SPÖ-Politiker hätten langsam verstanden, dass ihr langer Marsch von gemeinsam mehr als 80 auf gemeinsam 40 Prozent der Wählerstimmen auch mit solcher Uralt-Politik zu tun haben könnte.

Wobei: Die großzügige Ausnahme für Parteifeste, während man gleichzeitig jeden größeren Maronibrater steuerlich karnifelt, ist auf eigenem Mist gewachsen. Die Milchmisere, die den Agrarminister in die Sozialversicherungskasse greifen lässt, ist das Produkt einer marktfernen, völlig jenseitigen EU-Agrarpolitik, der zu einem simplen Produktionsüberschuss nichts anderes als noch mehr Subventionen einfällt.

Das kann man dem hiesigen Agrarminister nur teilweise ankreiden, wenngleich ihm dazu auch nicht gerade viele Ideen kommen.

Was man ihm sehr wohl ankreiden muss, ist die Art der Geldbeschaffung. Wenn man 170 Mio. Euro für Hilfszahlungen braucht, dann gibt es dazu andere Möglichkeiten. Eine davon wäre etwa die Umschichtung der Agrarförderung.

Ein Blick in die Transparenzdatenbank, in der die EU-Förderungen an die Landwirtschaft ausgewiesen werden, zeigt (wie übrigens Subventionsberichte aus dem nicht agrarischen Bereich auch) ein Maß an Fehlallokation, das normal gestrickte Menschen mit offenem Mund zurücklässt. Wenn sich etwa unter den 100 größten Subventionsempfängern gerade einmal zwei Bauern finden, dann ahnt man, wie viel da zu holen wäre, ohne dass ein einziger Landwirt um seine Förderung umfällt und ohne dass der ländliche Raum verdorrt.

Da gibt es Masse genug. Der Griff in eine Sozialkasse (die dann wohl mit Steuergeld wieder aufgefüllt werden muss) ist dagegen nur eines: schlichter Missbrauch.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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