Generalverdacht für alle Steuerbürger?

Deutschland diskutiert, in Steuerfragen die Beweislast umzudrehen.

Vorab: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Schon gar nicht, wenn sie in großem Stil geschieht. Und es ist den ehrlichen Steuerzahlern gegenüber nur fair, wenn die Finanz Steuerbetrug mit allen Mitteln bekämpft.

Solange diese Mittel auf dem Boden eines vernünftigen, zivilisierten Rechtsverständnisses bleiben. Davon droht Deutschland jetzt abzurücken: Dort wird seit Wochen ein von der SPD ausgeheckter (und in einem Parteitagsbeschluss bereits abgesegneter) Vorschlag diskutiert, „Vermögen unklarer Herkunft“ einzuziehen – und in solchen Fällen die Beweislast umzudrehen. Es muss dann also nicht mehr die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft Steuerhinterziehung oder Geldwäsche beweisen, sondern der Vermögensbesitzer muss den Nachweis führen, dass sein Vermögen sauber ist.

Gut, das Ganze ist im Gefolge der Panama-Papers-Affäre entstanden und wird von den deutschen Sozialdemokraten auch als Maßnahme zur Bekämpfung der Mafia verkauft. Es sollte also Otto Normalbundesbürger nicht besonders tangieren.

In der Praxis richten sich solche Maßnahmen aber sehr schnell gegen kleine Leute. Die Großkriminalität über Steueroasen kriegt man damit weniger in den Griff.


Da muss man sich dann schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel stellen. Schon die (mit denselben Argumenten durchgesetzten) Einschränkungen der Barzahlung oder die Abschaffung des Fünfhundert-Euro-Scheins sind da bedenkliche Eingriffe. Die Umkehr der Beweislast in Steuerfragen gibt dem aber eine völlig neue Dimension: Diese wäre nämlich die Abschaffung des eisernen Rechtsstaatsprinzips, dass jeder bis zum Beweis des Gegenteils durch ein ordentliches Gericht als unschuldig zu gelten hat.

Was wir hier sehen, ist der Versuch, die ganze Bevölkerung unter Steuersündergeneralverdacht zu stellen. Wer nichts verbrochen hat, wird das ja wohl leicht belegen können, nicht wahr?

Da Ideen aus Deutschland oft schnell den Weg zu uns finden, sollten wir extrem wachsam sein. Und Politikern mit einem solchen, nicht demokratiekompatiblen Menschenbild die passende Antwort geben.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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