Der Stress der Steuerzahler mit den Banken

Europas Bankensektor gehört nicht nur stressgetestet, sondern saniert.

Sehr stressig dürfte der kommende Freitag für die Chefs der europäischen Großbanken nicht werden – obwohl die Europäische Bankenaufsicht (EBA) nach Börsenschluss die Ergebnisse ihrer jüngsten Stresstests veröffentlicht. Die Bankenaufseher wollen die Nerven ihrer „Schützlinge“ nämlich ganz offensichtlich nicht überstrapazieren.

Das Stressszenario nimmt etwa BIP-Schrumpfungen um 1,2Prozent in diesem und 1,3Prozent im nächsten Jahr an. Ziemlich lächerlich, wenn man weiß, dass das EU-BIP allein im Finanzkrisenjahr 2009 um 4,4Prozent geschrumpft ist. Und die Bankenwächter untersuchen ausführlich die Auswirkungen einer (unrealistischen) kräftigen Zinssteigerung, während das viel realistischere Anhalten des Nullzinsszenarios, das die Bankenerträge derzeit drückt, einfach ausgeklammert wird. Anders als bei früheren Stresstests gibt es diesmal auch keine zu erfüllenden Kapitalvorgaben – und deshalb auch keine „Durchfaller“.

Eine Alibihandlung also, die wohl verdecken soll, dass Europa (im Gegensatz zu den USA), seinen Bankensektor noch lang nicht aufgeräumt und es noch immer nicht geschafft hat, echte Marktwirtschaft in die Branche Einzug halten zu lassen. Noch immer schweben viel zu viele faule Kredite im System herum, noch immer ist das viel beschworene Bail-in, das für Bankenprobleme (wie im übrigen Wirtschaftsleben auch) Aktionäre und Gläubiger haftbar machen soll, statt unbeteiligte Steuerzahler zu belasten, nicht wirklich im System angekommen.

Im Gegenteil: Es gibt realistische Befürchtungen, dass der Stresstest zum Vorwand genommen werden könnte, für die gravierenden Probleme der italienischen (aber zunehmend auch der spanischen) Banken entgegen aller Bail-in-Ankündigungen noch einmal die Steuerzahler zur Kasse zu bitten.

Wenn ein Stresstest Sinn ergeben soll, dann muss er zum Anlass genommen werden, die Institute durch rigide Vorgaben wirklich stressresistenter zu machen. Auch um den Preis, dass dann einige den Markt verlassen müssen. Mit dem Mitschleppen von Bankenzombies lässt sich die Bankenkrise jedenfalls nicht beenden.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2016)

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