Italien wird zum neuen Griechenland

Eine Währungsunion, die ihre Regeln bricht, ist zum Scheitern verurteilt.

Italiens Premier, Matteo Renzi, gefällt sich neuerdings als Gastgeber europapolitischer Gipfeltreffen. Beim jüngsten Plauderstündchen mit Angela Merkel und François Hollande wird es aber wohl nicht nur um Brexit und Immigration gegangen sein.

Denn wirtschaftspolitisch steht bei den Italienern der Hut in hellen Flammen. Und sie werden eine neue, diesmal wirklich schwere Eurokrise wohl nur verhindern können, wenn sie – mit stiller Duldung von Frankreich und Deutschland – sämtliche Euroregeln einschließlich der erst vor Kurzem eingeführten Bankenrichtlinie brechen.

Der Rahmen ist bekannt: Ungelöste Bankenkrise, wirtschaftliche Stagnation, steigende Arbeitslosigkeit und eine Staatsverschuldung, die mit 135 Prozent des BIPs nur noch von Griechenland übertroffen wird. Die Lösung, die sich die Italiener vorstellen: noch mehr Schulden, staatliche Bankenrettung, also absolute Retrokrisenpolitik.

Das sieht nach Modell Griechenland aus. Nur, dass es sich jetzt nicht um ein vergleichsweise kleines Land handelt, sondern um die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Also ein Megaproblem.


Wir wissen schon: Die Lösung ist schwierig. Der Kardinalfehler ist schon vor vielen Jahren passiert, als die Eurozone als politisches, nicht als wirtschaftliches Projekt konstruiert wurde. Weshalb auch Länder wie Griechenland oder Italien, die beide unter den Augen der übrigen Europäer zwecks Kriterienerfüllung zu Bilanztricks greifen mussten, in die für sie ungeeignete Währungszone kamen.

Jetzt sind sie aber drin – und jedes Spielraums beraubt, weil ihnen unter anderem ihr klassisches Wettbewerbsinstrument – die Währungsabwertung – nicht mehr zur Verfügung steht.

Hollande und Merkel haben keinen Spielraum, in Italien Disziplin einzufordern: Sie stehen beide vor wichtigen Wahlen und können bis dahin eine neue Eurokrise brauchen wie einen Kropf. Aber eine Währungszone, die ihre eigenen Regeln bei jeder sich bietenden Gelegenheit einfach bricht, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn sich das nicht bald in den Politikerköpfen verfestigt, wird sie das auch.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

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