Kinderlos gegen die Apokalypse

Der Club of Rome gefällt sich wieder einmal als Produzent schräger Thesen.

Soziale Ungleichheit und Arbeitslosigkeit bekämpft man am besten, indem man das Wirtschaftswachstum auf maximal ein Prozent begrenzt. Das erreicht man, indem man Frauen den Kinderwunsch (auch und gerade in den ohnehin mit dramatischen Geburtenrückgängen kämpfenden Industriestaaten) mittels einer Kinderlosenprämie von 80.000 Dollar austreibt. Weiters durch hohe Umweltsteuern, die an die Bevölkerung verteilt werden, und durch eine starke Anhebung der Unternehmenssteuern.

Dass das arbeitsplatzvernichtend wirkt, ist ja ohnehin nur ein von Konzernbossen gepflegtes Gerücht. Und wenn doch Unternehmen samt Arbeitsplätzen abwandern, dann kappen wir den Freihandel, was zur Wachstumsbegrenzung ja sowieso empfehlenswert ist. Ach ja, noch etwas: Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit ist natürlich eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent notwendig.

Sie fragen jetzt, welche Substanzen man konsumieren muss, um zu solchen Schlüssen zu kommen? Ein bisschen mehr Respekt bitte: Wir reden hier vom gerade präsentierten jüngsten Bericht an den Club of Rome („Ein Prozent ist genug“) beziehungsweise dessen radikalsten Thesen.

Club of Rome? Ja, genau der: Berühmt geworden in den früheren Siebzigerjahren durch die „Grenzen des Wachstums“ („gleich nach Johannes-Offenbarung und Maya-Kalender die populärste Schauergeschichte aller Zeiten“, schrieb der „Spiegel“ vor ein paar Jahren). Und seither höchst angesehen. Womöglich wegen seiner treffsicheren Prognosen: Leiden wir doch alle darunter, dass uns schon 1992 das Erdöl und zwei Jahre später das Erdgas ausgegangen ist, nachdem schon zuvor der Abbau von Zinn, Zink und Kupfer wegen Erschöpfung der Reserven eingestellt werden musste.

Äh, nein? Ach so, eine kleine Ungenauigkeit im Prognosemodell. Kommt schon noch. Wir wissen ja alle, dass die Ressourcen der Erde endlich sind. Ein Mitautor der „Grenzen des Wachstums“, der Zukunftsforscher Jørgen Randers, hat übrigens auch an den neuen Thesen mitgewirkt. Einmal Experte, immer Experte!

Genug gelästert: Der jüngste Club-of-Rome-Bericht ist insgesamt natürlich kein Sammelsurium von Schnapsideen, sondern befasst sich umfassend mit Themen, die uns alle sehr bald sehr ernst beschäftigen werden. Der Neudefinition von bezahlter Arbeit im bevorstehenden Umbruch der Arbeitswelt etwa, dem Umgang mit knapper werdenden Ressourcen in Zeiten der globalen Bevölkerungsexplosion, dem Steuersystem-Umbau.

Beunruhigend sind allerdings erstens die Schlüsse, die daraus gezogen werden: Enteignung und Abkoppelung von der Weltwirtschaft schreiben ja gerade eben in Venezuela eine Erfolgsgeschichte, um ein Beispiel zu nennen. Und zweitens das große internationale Echo: Wenn solche Thesen ernsthaft Resonanz finden, dann gibt es wirklich ernste Defizite im breiten Wirtschaftsverständnis.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2016)

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