Ein bisschen viel Heuchelei in der Verkehrspolitik

Wenn man Belastungen mitbeschließt, dann soll man auch dazu stehen.

Wer wissen will, wieso die Verdrossenheit über die heimische Steinzeitpolitik so steigt, der könnte sich etwa die jüngsten Äußerungen des ÖVP-Klubchefs Reinhold Lopatka zum Bahninfrastrukturausbau anschauen: Die Kosten dafür hätten sich auf zwei Mrd. Euro im Jahr verdoppelt. Das sei einer der budgetären Kostentreiber, die dringend eingebremst werden müssen, sagte der steirische Politiker vorgestern.

Nicht, dass er damit sachlich unrecht hätte. Die Bahn baut im Regierungsauftrag an volkswirtschaftlich sehr umstrittenen – manche meinen: sinnlosen – Tunnelprojekten, für die der Nationalrat in mehreren Schritten die gigantische Summe von 42 Mrd. Euro an „Vorbelastungen für künftige Budgets“ genehmigt hat.

Und jetzt kommt's: Der Klubobmann, der seit drei Jahren dafür sorgen muss, dass brav auch alle ÖVP-Abgeordneten diesem rot-schwarzen Budgetwahnsinn zustimmen, heißt, erraten, Reinhold Lopatka. Im Übrigen Vizeobmann jener steirischen ÖVP, die sich immer vehement für diese Tunnelbauten ausgesprochen hat.

Da schreit also ein Beteiligter laut und vernehmlich: „Haltet den Dieb!“ Und wundert sich dann, dass immer weniger Menschen diese verlogene Politik aushalten.

Übrigens, weil wir gerade bei den Tunneln sind: Neulich hat der Rechnungshof festgestellt, dass der zehn Mrd. Euro teure Brenner-Basistunnel ein völlig sinnloses Projekt ist, wenn es nicht gelingt, wirklich substanziell Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Das Problem: Seit Jahrzehnten läuft es umgekehrt. Es wandert Verkehr von der Schiene auf die Straße. Und zwar, wie der EU-Rechnungshof neulich festgestellt hat, überwiegend deshalb, weil das internationale Angebot wegen der Bahnkleinstaaterei zu schlecht ist, um mit den Lkw mitzuhalten.

Und wie reagiert SPÖ-Verkehrsminister Jörg Leichtfried? Versucht er, international Druck auf ein europäisches Eisenbahnsystem zu machen? Eher nicht: Er versucht es weiter mit mehr Schikanen für den Lkw-Verkehr und mit höheren Straßensteuern. Also genau mit den Rezepten, die bisher so sichtbar nicht funktioniert haben. Das nennt man dann wohl Verkehrspolitik.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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