Die Bauern, die Eisenbahner und die Sozialtöpfe

Sozialversicherung und Flaf sind nicht dazu da, um Klientel zu bedienen.

Österreich hat ein sehr teures Sozialsystem, was aber nicht ausschließlich an hohen Sozialleistungen liegt: Die meist erfolgreichen Versuche, Geld aus den Sozialtöpfen für andere Zwecke abzuzweigen, sind Legion.

Die direkten Ausräumereien beispielsweise des Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) und der Einsatz der Frühpensionierung als Arbeitsmarktinstrument sind in letzter Zeit ja glücklicherweise etwas zurückgedrängt worden. Das heißt aber nicht, dass es keine Begehrlichkeiten mehr gibt.

Die Bauern beispielsweise haben soeben einen Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen im Ausmaß von 88 Millionen Euro zugestanden bekommen. Ein typisch österreichischer Kompromiss, denn gefordert worden ist ziemlich genau das Doppelte. Aber nichtsdestoweniger ein krasser Fall von Sozialmissbrauch: Wenn zusätzliche Subventionen eines der höchstsubventionierten Sektoren dieses Landes notwendig sind, dann hat man das aus dem Agrarbudget zu bedecken und nicht aus Mitteln der am schlechtesten beitragsgedeckten Sozialversicherung dieses Landes. Mit der Absicht, die Lücke durch den Steuerzahler wieder auffüllen zu lassen.

Wenn sich die Agrarier an den Sozialtöpfen vergreifen, ist der zweite große Subventionsnehmer dieses Landes auch nicht weit: Die ÖBB-Infrastrukturgesellschaft will eine schlampige Formulierung im Bundesbahngesetz ausnützen und die seit 2005 bezahlten Flaf-Beiträge zurückhaben. Der Gesetzgeber hat zwar soeben eine „rückwirkende Klarstellung“ dieses Gesetzes verabschiedet, Experten sind aber nicht sicher, ob so eine rückwirkende Gesetzessanierung hält. Ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist in der Causa anhängig.

Es geht um schlappe 300Millionen. Die Bahn wird das schon brauchen, denn wie soll man denn Jahr für Jahr in der Bilanz Rekordgewinne ausweisen, wenn es nicht Rekordgeldflüsse vom Staat gibt?

Aber: In all diesen Fällen geht es um Töpfe, die über Lohnnebenkosten gefüllt werden. Ein naiver Mensch würde glauben, dass Töpfe, die solcherart angezapft werden können, zu prall gefüllt sind. Das saniert man, würde ein naiver Mensch glauben, damit, dass man Beiträge senkt und damit Lohnkosten entlastet. Und nicht damit, dass man seine Klientel bedient. Wie gesagt: Ziemlich naiv. Wir sind ja in Österreich.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2016)

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