Die Vermessung eines riesigen Budgetlochs

Von der Performance der deutschen Budgetpolitik trennen uns Welten.

Knapp haben wir einen Stockerlplatz verpasst: Eurostat bescheinigt uns mit einer Steuer- und Abgabenquote von 44,4 Prozent des BIPs die vierthöchste Steuerbelastung in der EU. Nur Franzosen, Dänen und Belgier legen noch mehr ab.

O. K., hört man, wir kriegen dafür ja auch einiges geboten. Die höchste Umverteilungsquote der westlichen Welt beispielsweise.

Freilich: So eine Abgabenquote sagt noch nichts darüber aus, wie mit dem eingenommenen Geld umgegangen wird beziehungsweise wie gut der Staat damit wirtschaftet. Schauen wir also einmal, wie es in anderen Ländern mit hoch entwickelten Sozialsystemen aussieht.

Schweden beispielsweise hat eine ähnlich hohe Abgabenquote wie Österreich. Aber: Die Schweden müssen irgendetwas richtiger machen. Die dortige Regierung erwirtschaftet mit einer ähnlichen Steuerbelastung nämlich einen Budgetüberschuss. Wir sind von einem echten Nulldefizit aber mehrere Milliarden entfernt.

Einen Budgetüberschuss erarbeiten übrigens (noch) auch die Deutschen. Und zwar mit einer Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent. Zum Vergleich: Wollte der österreichische Finanzminister die hiesige Abgabenquote auf deutsches Niveau drücken, dann müsste er seine Ausgaben um 15 Mrd. Euro drücken.

Gut, seien wir fair und rechnen wir die (vorübergehenden) Effekte der diesjährigen Steuerreform heraus: Dann sind es noch immer 12,9 Mrd. Euro. Und wenn Herr Schelling seinem Amtskollegen Schäuble nacheifern und mit dieser Steuerquote auch noch einen ausgeglichenen Haushalt erzielen wollte, müsste er das Defizit auch kompensieren und noch einmal ein paar Einsparungsmilliarden drauflegen. Dann wären wir bei einer Ausgabenreduktion um knapp 17 Mrd. Euro.

Damit haben wir das Performanceloch zur Benchmark vermessen: 17 Milliarden Euro! Ziemlich blamabel, was uns da Eurostat bescheinigt. Nicht, dass wir das nicht schon geahnt hätten. Heimische Wirtschaftsforscher predigen ja seit Jahren, dass eine Staats- und Verwaltungsreform Einsparungen bei den Ausgaben von bis zu 25 Mrd. Euro bringen könnten.

Nicht sofort, natürlich. Ein so umfassender Reformprozess, wie da nötig wäre, braucht seine Zeit. Und wäre eine nationale Kraftanstrengung. Da setzt man, siehe Steuerquote, lieber auf das berühmte „einnahmenseitige Sparen“.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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