Wenn Herr Draghi vor Herrn Draghi warnt

Der EZB-Chef sieht Immobilienblasen – die er selbst aufzupumpen hilft.

Der Chef des Europäischen Ausschusses für Systemrisken (ESRB), Mario Draghi, hat diese Woche die Regierungen von acht EU-Ländern – darunter Österreich – per Brief vor einer Überhitzung des Marktes für Wohnimmobilien gewarnt: Es drohe eine Immobilienpreisblase. Und wohin das führen könne, habe man in der jüngeren Vergangenheit ja nicht nur ein Mal gesehen.

Danke, Herr Draghi, ganz lieb! Aber könnten Sie diesen Brief vielleicht auch an die EZB in Frankfurt adressieren? Dort sitzt nämlich ein Namensvetter auf dem Chefsessel, der diese Immobilienblase seit ein paar Jahren mit forcierten Anleihekäufen und konsequenter Nullzinspolitik mächtig aufpumpt. Ohne diesen endlosen Geldstrom wären die gerade entstehenden Immobilienblasen – und auch jene auf den Anleihe- und Aktienmärkten – in dieser Form gar nicht möglich gewesen.

Wie, das ist gar kein Namensvetter? Sondern ein und dieselbe Person? Der Systemrisikowächter Draghi warnt also sozusagen vor dem Systemrisiko Draghi? Muss nicht leicht sein, mit solchen inneren Widersprüchen zu leben. Da sieht man, welche Verwerfungen die Nullzinspolitik auslösen kann!

Ganz im Ernst: Die Gelddruckerei war zu Beginn der Finanzkrise sicher notwendig, um einen Totalabsturz zu verhindern. Jetzt wird sie aber langsam kontraproduktiv: Sie sorgt für gefährliche Assetblasen, und sie erfüllt den Zweck, Euroländern Spielraum für Strukturreformen zu geben, nicht. Sie nutzen die Zinsersparnis nämlich nicht für Reformen, sondern für fröhliches weiteres Schuldenmachen.

Da wird es Zeit, den Ausstieg aus der Nullzinsdroge vorzubereiten. Wenn einmal Draghi vor Draghi warnt, wird es wohl kritisch.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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