Wenigstens bei der Teuerung sind wir spitze

Seit der Jahrtausendwende sorgt Inflation für stagnierende Kaufkraft.

Es gibt ja doch noch Bereiche, in denen wir Europaspitze sind: Bei der Inflationsrate stehen wir in der Eurozone souverän auf dem Stockerl. Geschlagen nur von Belgien. Die Inflationsrate nach EU-Berechnung lag im November mit 1,5 Prozent zweieinhalbmal so hoch wie der Eurozonenschnitt. Nach österreichischer Berechnung (1,3 Prozent) sieht es geringfügig milder aus.

Wer greift denn da so kräftig zu? Im November beispielsweise haben die Bereiche „Beherbergung“ (plus 4,7 Prozent) und „Freizeit und Kultur“ (plus 2,1 Prozent) neben den üblichen Verdächtigen wie etwa den Mieten besonders kräftig zur Teuerung beigetragen.

Ganz schön gierig, die Hoteliers, oder? Moment: Fast hätten wir vergessen, dass wir heuer ja eine Steuerreform samt Gegenfinanzierung hatten. Teil dieser Gegenfinanzierung war die Anhebung der Mehrwertsteuer für einige Steuergruppen (darunter Hotelnächtigungen und Kulturdienstleistungen) von zehn auf 13 Prozent, also um 30 Prozent.

Durchgerechnet auf den Gesamtpreis bedeutet dies eine Verteuerung um rund 2,7 Prozent. Für mehr als die gesamte Teuerung im Bereich Kultur und für deutlich mehr als die Hälfte der Preissteigerung im Hotelgewerbe war also der Finanzminister mit seiner Gegenfinanzierung verantwortlich. Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, wie unsere Vorvorfahren resignierend zu sagen pflegten.

Das ist ein roter Faden, der sich durch alle Inflationsberichte der vergangenen Jahrzehnte zieht: Wenn nicht gerade Ölpreisschocks anstehen, gehören von der öffentlichen Hand beeinflusste Preise sowie Steuern und Gebühren zu den verlässlichsten Inflationstreibern.

Das wirkt sich so aus: Seit der Jahrtausendwende sind die Pro-Kopf-Nettolöhne um 38,7 Prozent gestiegen, die Preise um 36,1. Fast die gesamte über Löhne erzielte Einkommensteigerung der vergangenen 16 Jahre ist also per Inflation wieder abgeschöpft worden. Andersherum: Die Massenkaufkraft stagniert seit eineinhalb Jahrzehnten – und alle wundern sich, wieso das in einer konsumgetriebenen Wirtschaft keinen Aufschwung auslöst. Seltsam, nicht?

josef.urschitz@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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