Der Euro und die fahrlässige Krida

Die Eurostaaten werden ihre Sanierungsprogramme noch einmal nachjustieren müssen. Wir nicht: Wir haben noch keines.

Um den Eurokurs muss man sich derzeit keine Sorgen machen: Der ist jetzt ungefähr dort, wo er kaufkraftmäßig hingehört. Und wo er der exportorientierten Industrie nicht mehr gar so schadet wie während der Höhenflüge der vergangenen Jahre.

Beunruhigender sind schon die im Hintergrund wirkenden Kräfte, die den überbewerteten Euro so schnell „normalisiert“ haben: explodierende Staatsdefizite, weitere drohende Rating-Abstufungen europäischer Staaten, eine schwelende Bankenkrise, die jederzeit wieder ausbrechen kann. Es ist noch keineswegs ausgemacht, dass ein neuerliches Abtauchen in die Rezession (der gefürchtete Double-Dip) verhindert werden kann. Und es ist noch keineswegs ausgemacht, dass wir aus der Krise ohne größere Blessuren herauskommen werden.

Was festzustehen scheint, ist, dass die Konjunkturforscher (deren Prognosemodelle in dieser Krise freilich schon einmal, nämlich 2007/2008, versagt haben) zu optimistisch sind und dass viele europäische Regierungen ihre angekündigten drastischen Sparprogramme noch einmal werden verschärfen müssen.

Uns kann das nicht passieren, denn wir haben (außer ein paar globalen Budgetzielen ohne konkreten Inhalt) noch keines. In einer derartigen Situation wegen ein paar Landtagswahlen Reformen um Monate aufzuschieben – das ist wirklich der Gipfel der Verantwortungslosigkeit. Eine Art fahrlässige Krida, die die Regierung da aus Feigheit vor dem Wähler betreibt.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Duncan Neiderauer
Geld & Finanzen

Leerverkäufe: Sündenbock oder Wurzel allen Übels?

Seit Mitte Mai sind bestimmte riskante Börsengeschäfte mit Aktien und Euro-Anleihen auch in Deutschland verboten. Für Kritiker sind Leerverkäufe "Massenvernichtungswaffen", Börsenprofis sehen sie als Sündenböcke.
Österreich

Euro rutscht in Richtung "fairer Wechselkurs"

Gerüchte um eine bevorstehende Rückstufung Frankreichs und Italiens ließen am Dienstag den Euro neuerlich abstürzen. Als größeres Problem wird allerdings die europäische Schuldenkrise gesehen.
International

Banken-Probleme wegen Hellas-Bonds

Die Vorstände könnten wegen der Griechenland-Hilfe vor Gericht gezerrt werden. Juristen zufolge müssen die Generaldirektoren damit rechnen, von ihren Aktionären geklagt zu werden.
Euro fällt auf tiefsten Stand seit April 2006
International

Länderratings in Gefahr: Euro fällt auf 1,21 Dollar

Marktgerüchte über Rating-Abstufungen von Italien und Frankreich haben einen Kursrutsch ausgelöst. Eine Stabilisierung des Euro ist nicht in Sicht.
WKO head Leitl reacts during a news conference in Vienna
Österreich

Leitl zum schwachen Euro: "Wir waren vorher zu teuer"

Österreich profitiere von einem schwachen Euro, sagt Wirtschaftskammer-Chef Leitl. Auslöser der Wirtschaftskrise seien "nicht ein paar gierige Finanzhaie". Schuld sei die "Unfähigkeit der Politik".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.