Der griechische Bankensturm – in Zeitlupe

Viele Griechen sind derzeit an Bankschaltern anzutreffen. Eine brandgefährliche Sache.

Kaum steht Dominique Strauss-Kahn unter Hausarrest, gibt sich der Internationale Währungsfonds (IWF) auch schon bockig: Für die Überweisung frischer Milliarden werden plötzlich Garantien verlangt, für den Fall, dass Griechenland seine Sparziele neuerlich verfehlen sollte. Gut so, auch wenn mit dieser Forderung wohl nur Druck auf die griechische Regierung aufgebaut werden soll, endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Das größte Problem für die Regierung in Athen ist aber nicht der IWF. Es ist der Vertrauensverlust im eigenen Land. Viele Griechen verstehen nicht, dass der Wohlstand der letzten Jahre ein fiktiver, weil nicht erarbeiteter war. Die Minderheit, die das kapiert hat, zweifelt wiederum daran, dass die Regierung die Sache noch retten kann. Sie rechnet deshalb mit einer Rückkehr zur Drachme und räumt noch schnell das Bankkonto, bevor harte Euro in weiche Drachmen konvertiert werden.

Seit Jänner 2010 wurden 31 Mrd. Euro von privaten Konten behoben. Das Geld wird in den Konsum gesteckt oder über die Grenze gebracht. Das nennt man einen „Bank-Run“ in Zeitlupe. So eine Situation kann schnell außer Kontrolle geraten, wenn immer mehr Menschen ihr Geld beheben. Passiert das, hilft dem Land kein Rettungsfonds der Welt mehr. Irgendjemand sollte der konservativen Opposition also rasch erklären, dass jetzt kein wirklich guter Zeitpunkt ist, die Sozialisten mit ihren Sparplänen allein zu lassen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2011)

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