Ein schönes Sittenbild

Es wird Zeit, dass sich die Justiz die Geschäfte der Telekom genauer anschaut.

Es sieht ein bisschen so aus, als hätte in den wilden Nullerjahren eine entfesselte Partie die Republik und deren eben erst privatisierte Unternehmen ausgeräumt wie jetzt die Londoner Slum-Jugend die Geschäfte in Tottenham. Nur dass das damals keinen interessiert hat. Die Staatsanwaltschaft schon gar nicht.

Wir sehen also die Vorgänge um die auf einer Kursmanipulation beruhenden Millionen-Boni der damaligen Telekom-Manager ganz entspannt. Also: Erstens gilt sowieso für alle die Unschuldsvermutung. Zweitens glauben wir die Rechtfertigung einiger Vorstände („Wir haben nichts gewusst“) aufs Wort. Zeitung lesen (dort waren die Manipulationen ausführlich beschrieben) gehört ja nicht zur Job Description eines Telekom-Vorstands.

Drittens ist natürlich klar, dass die FMA, wenn sie eine riesige Kursmanipulation feststellt, nichts weiter unternehmen kann. Und viertens wäre es ja wohl zu viel verlangt, wenn die Staatsanwaltschaft beim Verdacht der Untreue und des Betrugs (Strafrahmen bis zu zehn Jahre) von sich aus tätig wird. Es ging ja nicht um wild gewordene Tierschützer.

So – und jetzt sagt uns bitte jemand, dass das alles nicht wahr ist. Dass die Justiz endlich erwacht. Und sich auch andere merkwürdige Telekom-Geschäfte (etwa den Bulgarien-Deal) anschaut. Wir wollen nämlich nicht länger in einer Bananenrepublik leben.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Dubioser Kurssprung erschuettert Telekom
Österreich

Dubioser Kurssprung erschüttert Telekom

Die größte Börsenaffäre Österreichs machte 100 Manager der Telekom Austria um rund neun Millionen Euro reicher. Sie wirft auch ein Licht auf die lange Zeit zu lasche Gesetzgebung im Finanzbereich.
Die Kursaffäre um die Telekom Austria wirft auch ein schlechtes Licht auf die FMA
Österreich

Telekom-Kursaffäre - FMA findet 2004 keine Hinweise

Laut Finanzmarktaufsicht hätten damals die richtigen Waffen zur Aufdeckung von Manipulationen gefehlt. Ein Profilbericht verweist auf 16 fragwürdige Transaktionen.
Österreich

Telekom-Chef zahlt seinen Bonus zurück

Ein Mitarbeiter hat den Verdacht einer Kursmanipulation erhärtet: Exmanager stehen im Kreuzfeuer. Ametsreiter, der damals Mobilkom-Vorstand war, profitierte wie 100 TA-Manager von einem auffälligen Kurssprung.
Österreich

Telekom: Grüne werfen Aufsicht und ÖIAG „Kontrollversagen“ vor

Die Oppositionspartei ist überzeugt, dass alle Überwachungsmechanismen versagt haben. Ihr Rundumschlag trifft auch die Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Justiz: Die FMA habe "bewusst die Augen zugedrückt".
Österreich

Goldene Zeiten sind vorbei

Der teure Sozialplan und die Rubelabwertung in Weißrussland stürzen die TA in die roten Zahlen. Konzernchef Hannes Ametsreiter muss daher die Erwartungen für das Gesamtjahr zurückschrauben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.