Schiff oder Chips: Auch Atheisten lieben Grabbeigaben

Der vor einem Jahr verstorbene nordkoreanische Dikator Kim Jong-il bekommt nun eine Jacht mit ins Grab. Das ist nichts Ungewöhnliches.

Eine eigene Eisenbahnlinie musste errichtet, Stromleitungen mussten entfernt, ein Teil der Mausoleumsmauer eingerissen werden – aber nun ist es so weit: Kim Jong-il, der vor einem Jahr am 17.Dezember verstorbene nordkoreanische Diktator, hat seine Jacht wieder. Anlässlich des einjährigen Gedenkens hat man ihm dieses Geschenk gemacht.

Nur äußerlich erinnert diese Grabbeigabe an die alten Ägypter. Schiffe finden sich dort schon in Gräbern der ersten Dynastie, sie dienten aber einem religiösen Zweck. Sie sollten dem König erlauben, sich im von Wasserwegen durchzogenen Jenseits fortzubewegen und den auf einer Barke fahrenden Sonnenkönig Re zu begleiten. Die Wikinger nahmen ihre Schiffe ebenfalls gern in den Tod mit. Manche Anführer wurden auf den Schiffen begraben, auf denen sie zu Lebzeiten gefahren waren, die Schiffe wurden dabei mit Sand und Steinen überschüttet. Oder die Toten wurden mitsamt Schiff verbrannt. Die „Prosa-Edda“, eine Mythensammlung aus dem 13. Jh., erzählt von einer weiteren Form: Der ermordete Gott Balder segelt auf einem brennenden Schiff aufs Meer.

Auch die alten Griechen stellten sich die Reise ins Jenseits als Bootsfahrt vor, das Sterben als „Aufbruch zu neuen Ufern“ zieht sich durch die Kulturen. Merkwürdig, dass ausgerechnet der Diktator eines gnadenlos atheistischen Staats eine so symbolträchtige Grabbeigabe bekommt. Aber vielleicht ist es Zufall und die Jacht Kim Jong-ils hat weniger mit Pharaonen- oder Wikingerschiffen zu tun als einfach mit dem Wunsch nach profaner Unsterblichkeit und maßloser Huldigung. Beides war kommunistischen Machthabern seit Stalin (dessen Idee es war, Lenin einzubalsamieren) wichtig.

Aber auch im Westen kennt man das Phänomen, dass Grabbeigaben mit abnehmender Religiosität sogar zunehmen – quasi als hilflose Versuche künstlicher Lebensverlängerung. Das Christentum hat Menschen lange Zeit mit der Gewissheit versorgt, dass es für die Auferstehung keiner materiellen Mitbringsel bedarf. Aber schon im 18. und 19. Jh. finden sich wieder Dinge in den Gräbern wie Pfeifen, Kartenspiele oder Regenschirme.

Und heute geht es im Westen bunter her denn je – bis hin zum neuesten Trend: dem (eingeschalteten) Handy als Grabbeigabe. Letzteres hat allerdings einen religiösen bzw. abergläubischen Ursprung in Südafrika. Dort fürchten Menschen, verhext zu werden und sich in einem Grab wiederzufinden, ohne wirklich tot zu sein.

Selbst einer der schlimmsten Machthaber wie Kim Jong-il nimmt keine lebendigen Menschen mehr mit ins Grab. Der erste Kaiser von China etwa, Qin Shihuangdi, tat das mit Teilen seines Gefolges. Innerhalb der nächsten Jahre soll endlich sein Grabhügel geöffnet werden. Das ganze China soll darin nachgebildet sein, mit fließenden Flüssen aus Quecksilber und einem Sternenhimmel. Dagegen ist Kim Jong-il richtig bescheiden.

E-Mail: anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2012)

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