Abenomics: Bernankenomics mit einer Prise Harakiri

Gelddrucken schaffe keine Inflation, heißt es oft. Aber warum setzt Japan dann bei der Jagd nach Inflation auf Unmengen neues Geld?

Shinzo Abe ist ein erfolgreicher Mann. Zumindest derzeit. Nicht nur, dass die Japaner ihn zu ihrem 90. Premierminister gewählt haben – er hat für sein Wirtschaftsprogramm sogar ein eigenes allgemein akzeptiertes Label bekommen: „Abenomics“ – macht was her, oder?

Die Medien haben das Kunstwort sofort übernommen, direkt aus der PR-Vorlage der japanischen Regierung. Und Abe geht so in die ökonomischen Geschichtsbücher ein. Ein genialer Schachzug, zugegeben.

Die Regierung in Tokio hätte sich auch hinstellen können und sagen: „Wir versuchen jetzt genau dasselbe wie die USA seit fünf Jahren – aber wir gehen es noch brutaler an, geradezu rücksichtslos. Nichts wird uns stoppen.“ Hätte sie sagen können – aber hätte es sich auch so toll vermarkten lassen? Wahrscheinlich eher nicht.

Beginnen wir von vorn. Japan ist seit geraumer Zeit in der Deflation gefangen – und weil bisher nichts dagegen geholfen hat, stecken die Deflationserwartungen tief in den Knochen der (rapide alternden) japanischen Gesellschaft. Deswegen sitzen die Japaner lieber auf ihren Yen, anstatt sie für Konsum auszugeben. Abe will das ändern. Dazu stellt er – im übertragenen Sinn – eine riesige Yen-Notenpresse in die Mitte von Tokio und sagt zu seinen Landsleuten: „Bedient euch! Aber gebt es aus, das Geld. Kauft Zeug, erhöht die Nachfrage, vergesst die Deflation, it's inflationtime, baby!“

Ökonomisch funktioniert das – leicht vereinfacht dargestellt – so: Die Notenbank druckt Geld – dann druckt sie noch mehr Geld, dann kauft sie mit dem frischen Geld Staatsanleihen und sonst auch praktisch alles, was sie bekommen kann. Dann druckt sie weiter Geld und beginnt von vorn. Die Regierung nimmt derweil das frische Geld von der Notenbank und baut viele, viele Straßen und solches Zeug. So gelangt das Geld „in die Wirtschaft“. Das Defizit wird 2013 deshalb um zwei Prozent ansteigen (auf 11,5 Prozent) – aber hey, wenn's der Deflationsbekämpfung dient.

Abenomics sind also eine Art Brutalokeynesianismus (Bernankenomics?) mit einer Prise Harakiri. Was aber bisher niemandem aufzufallen scheint: Im Westen (vornehmlich in den USA) wird ständig betont, die brutale Ausweitung der Basisgeldmenge schaffe keine Inflation. In Japan wird die Basisgeldmenge ausgeweitet – mit einem expliziten Ziel: Inflation! Schon ein bisschen verwirrend.

Und damit nicht genug der Widersprüche. Mitschuld an der Deflation war einst die Erhöhung der Konsumsteuer von drei auf fünf Prozent, weil das die Nachfrage beschädigt hat. Und jetzt raten Sie einmal, was die japanische Regierung bis 2015 machen will, damit sie ihre eigenen Ausgaben finanzieren kann (die die Nachfrage anregen sollen). Genau: Die Konsumsteuer auf zehn Prozent anheben. Abenomics!

E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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