Im „Nationalpark hohe Steuern“

Die Industriellenvereinigung lud die sieben wahlwerbenden Parteien zum Standort-Hearing.

SUBTEXTWenn die Regierung bei der Sanierung des Staatshaushaltes so diszipliniert wäre wie die Vertreter der sieben wahlwerbenden Parteien beim Standort-Hearing der Industrie, würde die Staatsverschuldung jetzt nicht bei 74,2Prozent liegen. Nur eine Minute und 40 Sekunden standen Mittwochabend Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Karlheinz Kopf (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ), Werner Kogler (Grüne), Josef Bucher (BZÖ), Kathrin Nachbaur (Team Stronach) und Matthias Strolz (Neos) pro Themenrunde zur Verfügung – man glaubt gar nicht, wie viel Inhalt in dieser kurzen Zeit vermittelt werden kann.

Freilich überwachte Moderator Gerald Gross peinlich genau das Zeitmanagement. Ein Vorbild für künftige Nationalratsdebatten? Angesichts der brennenden Themen dieses Landes von der Hypo Alpe Adria bis zur Gesundheitsreform, die ohnedies keine Redundanz erlauben, eine gute Idee. Für politisches Hickhack blieb an dem Abend, an dem die Positionen der Parteien zu sieben zentralen Zukunftsthemen – Reindustrialisierung, Klimaschutz, Überreglementierung, Abgabenquote, Arbeitskosten, Staatsverschuldung, Bildung – abgesteckt werden sollten, keine Zeit.

Stattdessen gab es bekannte Schlagworte. Aber auch Manager sind Wähler und hören ebenso gerne Versprechen wie die Senkung der Abgabenquote, Sicherung der Pensionen, Entbürokratisierung, Schuldenbremse und höhere Bildungsausgaben. Dass wir zu viel Steuern zahlen – Bucher nannte Österreich den „Nationalpark hohe Steuern“ – darüber herrschte bei allen Politikern genauso Einigkeit wie darüber, dass Österreich überreglementiert und überverwaltet sei und der Eigenverantwortung zu wenig Raum lasse. Hundstorfer versuchte zwar eine Erklärung – „alle Gesetze sind doch in den vergangenen 50 Jahren von allen beschlossen worden“ –, aber auch er musste einräumen, dass eine Schlankheitskur in der Verwaltung nicht schaden könne.

Senkung der Abgabenquote von 45 auf 40Prozent, Durchforstung des Förderdschungels, höheres Pensionsantrittsalter, billigere Energie und ein Schulsystem, in dem alle Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen lernen: Bei diesem harmonischen Wunschkonzert konnte der Eindruck entstehen, dass Österreich nach den Wahlen auf eine Allparteienregierung zusteuere.


Der Weg ins Paradies, also die Umsetzung der schönen Ziele, scheidet jedoch die Geister. Mit seinem Ja zu einer Reichensteuer für Nettovermögen über einer Million Euro musste sich Sozialminister Hundstorfer prompt die Frage gefallen lassen, wie 76.000 Reiche das Budget sanieren sollen. Nachbaur erntete wiederum mit der Forderung, die Befreiung von der Einkommensteuer von jährlich 11.000 auf 12.000 Euro zu heben, Skepsis. Genauso, wie sie und Strolz sich mit der Forderung nach Abschaffung der Wirtschaftskammer-Zwangsmitgliedschaft nicht nur Freunde machten. Also doch keine Allparteienregierung. Wie sagte Gross? Irgendwer wird in die Opposition müssen.


E-Mails an: hedwig.schneid@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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