Große Welt im kleinen Glück: Von Kate bis Minimundus

Die „Treppe ins Nichts“, die den Eingang ins Klagenfurter Minimundus markiert, wird abgerissen. Wie sollen wir nun alles überblicken?

Der Bogen war schwer zu schlagen, zugegeben. Aber den seltsamen Hype um das royale Babyglück kann man vielleicht besser verstehen, wenn man regrediert. Sich zum Beispiel erinnert, wie man als Kind in „Minimundus“ stand, dieser genial-surrealen Kleinstadt der großen Welt am Wörther See. „Plötzlich diese Übersicht!“ So heißt auch das Hauptwerk des Schweizer Künstlerduos Fischli & Weiss, das zurzeit bei der Biennale Venedig ausgestellt ist: Banalste Alltagsszenen formten sie in kleinen Tonfiguren nach. In hunderten, wohlgemerkt.

Plötzlich versteht man, dass man es sowieso nie übersehen, nie verstehen kann – das Leben, die Politik, die Banken, die Steuererklärung, die Drahtlostelefonie. Doch im Kleinformat ist das eindeutig erträglicher, die ganze Welt wird zum Spiel. So auch das kleinbritannische Familienglück. So soll das Leben sein. Da darf man sein eigenes getrost vergessen für ein, zwei Medienaugenblicke.

In der Pause zwischen dem einen und dem anderen läutete das Telefon. Und eine Nachricht übermittelte sich (drahtlos!), die hier in der Wiener Redaktionsstube Ratlosigkeit zurückließ. Die sogenannte „Skala“ vor dem Eingang zu „Minimundus“ soll abgerissen werden. Womit nicht etwa eine Kärntner Variante des Mailänder Opernhauses gemeint ist. Sondern eine seltsam sinnlose Installation, die der Klagenfurter Architekt Klaus Mayr 1989 als eine Art Wahrzeichen den vielen übrigen Wahrzeichen, die hier ausgestellt werden, gesetzt hat. Es ist eine aquäduktartige Stiegenkonstruktion, die den Parkplatz überspannend schräg nach oben verläuft.

Einer der genannten Abgrissgründe sei jetzt, dass die Besucher, die mühsam Stufe um Stufe erklommen hätten, sich beschwerten – es gäbe dort oben nichts zu sehen! Tatsächlich? Ein philosophischeres Gebilde hat Kärntens öffentlicher Raum bislang noch nie gesehen, möchte man hier einmal in den gedruckten stellen.

Allein das ewige Auf und Ab zwischen dem Irdischen und dem Weltlichen, symbolisiert durch Jakobs Himmelsleiter. Die Kunst hat sie immer schon geliebt. Die Öffentlichkeit weniger. Eine derartige „Treppe ins Nichts“ hat bereits fast einen Bürgermeisterposten gekostet, darf man den Klagenfurtern hier in Erinnerung rufen. In der Documenta-Stadt Kassel war das, im Jahr 2000. Da ließ der damalige Oberbürgermeister mitten in der Nacht die „Königsplatztreppe“ abreißen. Sie war im Rahmen der Documenta 9 1992 vom Hamburger Architekten Gustav Lange dort errichtet worden, eine monumentale hölzerne Freitreppe, die ins Nichts führte. Die Leute haben sie gehasst, was zumindest eine Verbindung zu Klagenfurt zulässt. Der Bürgermeister griff damals durch, illegal. Und hatte ein jahrelanges Gerichtsverfahren am Hals. Das mit einem Freispruch endete.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2013)

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