Ein „Tatort“ mit Cliffhanger ist nicht zu verkraften. Und schon gar nicht so kurz vor der Pensionierung.
Der moralische Druck der „Bild“ war offenbar zu stark: „Messer-Attacke! Überlebt Leitmayr seinen härtesten Fall?“, fragte sich das deutsche Massenblatt. Was um Gottes Willen war am Sonntag im abendlichen „Tatort“ geschehen? Der Münchner Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, 55) lag in „Am Ende des Flurs“ fast am Schluss tatsächlich leblos am Boden. Sein Spezi Ivo Batic (Miroslav Nemec, 59) konnte ihm nur Trost zusprechen und die stark blutende Wunde am Rücken mit beiden Händen abpressen.
In US-Serien nennt man solch ein offenes Ende Cliffhanger. Einen der berühmtesten gab es einst im Jahre 1980 zum Abschluss der dritten Saison von „Dallas“, der Kultserie mit Larry Hagman. „Who shot J.R.?“, fragten sich die Amerikaner, die ein Nahverhältnis zu Schusswaffen pflegen, damals am 21. März. Sie mussten acht Monate warten, bis in der Folge „Who Done It?“ der Fall gelöst wurde.
„Tatort“-Fans in Deutschland, der Schweiz und Österreich aber ist so viel Stress nicht zuzumuten. Auf Twitter brach blanke Hysterie aus. Leitmayr und Batic sind inzwischen die dienstältesten Beamten im „Tatort“-Staat der ARD, die beiden in Ehren ergrauten Herren stehen doch offensichtlich kurz vor der Pensionierung! Und jetzt ganz einfach tot? Würdelos am Ende des Flurs? Nein! Dazu ist das Duo historisch viel zu bedeutend. Als Anfang Jänner 1991 ihre erste Folge lief („Animals“), hatten sich Ost- und Westdeutschland gerade frisch vereint, es gab sogar noch ein bisschen Sowjetunion, und der große Helmut Kohl war noch ein relativ junger Bundeskanzler. Damals ging übrigens auch die Serie „Dallas“ nach nur 14 Jahren zu Ende.
Der Bayerische Rundfunk (BR) hat seither 67 Folgen mit dem bayerisch-kroatischen Ermittler-Team gesendet. Das ist Rekord. Nicht einmal Lena Odenthal oder Max Ballauf und Freddy Schenk können da mithalten. Inzwischen ist der BR eingeknickt und hat verraten: Der zähe Franz wird es schaffen. Bis zur Folge 68 im Dezember („Der Wüstensohn“) wird er sich von dem fiesen Angriff erholt haben.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)