Meine Damen und Männer, Frauen und Herren!

Marlene Streeruwitz hat anlässlich der Debatte um das Binnen-I einen neuen geschlechtlichen Streitpunkt in der Sprache identifiziert.

Nein, um Ästhetik gehe es „da sicher nicht“ bei der Debatte über das Binnen-I, das weiß Marlene Streeruwitz in einem „Standard“-Gastkommentar ganz genau. Sondern um den „Machtverlust einer Elite“. Zu der sie auch den Philosophen Konrad Paul Liessmann zählt, der wie viele andere den offenen Brief gegen das Binnen-I und andere „geschlechtersensible“ Schreibweisen unterschrieben hat. „Auch Philosophen müssen sich heute der Quasidemokratisierung der neoliberalen Selbstermächtigten stellen“, diagnostiziert sie und leidet mit ihm: „So ein altmodischer Mann gilt da gar nichts. Da muss dann ein Feind gesucht werden.“

Streeruwitz fand wenigstens eine neue Front des sprachlichen Geschlechterkampfs: „Sagen wir bitte entweder Dame Streeruwitz oder Mann Liessmann“, fordert sie: „Wenn die Männer Herren bleiben wollen, dann bestehe ich auf dem Gleichheitsgrundsatz und will mit Dame angeredet werden.“ – Dame als Pendant zu Herr, Mann als Entsprechung zur Frau? Das mag vernünftig klingen, wenn man die höfliche Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren!“ im Kopf hat. Doch dagegen spricht die Geschichte der Wörter: Frau kommt vom mittelhochdeutschen „frouwe“, das setzt sich aus „frô“ und „wip“ (Weib) zusammen. „Frô“ hieß Herr, wir kennen das Wort von Fronleichnam, dem katholischen Fest, wo der Leib des Herrn gefeiert wird, und vom Frondienst, dem Dienst für den Grundherrn. „Frouwe“ hieß also Weib des Herrn, Herrin. Natürlich ist es symptomatisch für eine patriarchalische Gesellschaft, dass die Herrin (nur) das Weib des Herrn ist.

Jedenfalls wurde Frau erst in jüngerer Zeit allmählich zum neutralen Wort für weibliche Menschen degradiert, parallel dazu bekam Weib einen abwertenden Beigeschmack, den das Adjektiv weiblich bis heute nicht hat.

Oder doch? Müsste Streeruwitz konsequenterweise fordern, dass man fortan fraulich statt weiblich sagen soll? Und was sagt man dann statt fraulich? Damenhaft?

Sicher nicht dämlich. Es wäre ein böses Beispiel für die Ungerechtigkeit der Sprache, wenn dieses abschätzige Wort von der Dame käme. Tut es nicht, zum Glück. Es kommt vom mittelhochdeutschen „damelen“ (nicht ganz bei Sinnen sein). Es gibt trotzdem Stammtischbrüder (vielleicht sogar -schwestern), die mit herrlich/dämlich dümmlich scherzen. Keine Sprachregulierung wird sie bremsen können.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2014)

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