Die Internationale erkämpft das Urlaubsrecht

In Deutschland fordern Politiker ein Grundrecht auf Urlaub. Der Staat soll armen Menschen die Reise finanzieren. Die Idee stößt auf Zuspruch.

Katja Kipping, die Parteichefin der Linken in Deutschland hat zwei Wochen Urlaub in Frankreich hinter sich und ist „sehr entspannt“, wie sie am Wochenende der „Welt am Sonntag“ mitgeteilt hat. Ganz entspannend war der Urlaub nun offenbar auch wieder nicht. Denn ein bisschen nagten die unbeschwerten Tage an ihrem sozialen Gewissen. Es gibt in Deutschland nämlich drei Millionen Kinder, die nicht in den Urlaub fahren, weil ihre Eltern sich diesen nicht leisten können. Und weil Katja Kipping künftig mit noch besserem Gewissen ein paar Tage „Göttin in Frankreich“ sein möchte, hat sie in dem Interview ein Grundrecht auf Urlaub gefordert. Wer sich diesen nicht leisten kann, soll ihn gefälligst vom Staat finanziert bekommen. Die Politikerin denkt da an einen Gutschein über 500 Euro. Diesen sollen sozial Schwache jedes Jahr bekommen.

Jetzt muss man vielleicht anmerken, dass in Sachsen und Thüringen gerade der Landtagswahlkampf tobt, dass dort die Linke ziemlich viel zu verlieren hat und vor allem: derzeit nur jene ansprechen kann, die nicht auf Urlaub sind. Oder zumindest nur jene, die an der Ostsee die Seele baumeln lassen.

Egal. Der Urlaubsvorschlag stieß – nicht wirklich überraschend – auf regen Zuspruch. Doch der Jubel über die sommerliche Urlaubswohlfahrt kam (noch) nicht von TUI, Necker- oder Ballermann, er kam von CDU-Politikern und der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Der BDKJ-Chefin geht die Idee der Linkspolitiker, Sozialhilfeempfänger in den staatlich finanzierten Urlaub zu schicken, nicht weit genug. Sie will auch kinderreiche Familien mit auf die Reise nehmen.

Langweilige Fragen wie „Wer soll das bezahlen?“ oder welche Aufgaben der Staat zu erfüllen hat, wollen wir uns sparen. Das wäre viel zu banal. Dafür sind wir, die sich den Urlaub bereits geleistet haben oder ihn demnächst genießen werden, viel zu entspannt. Wer „Urlaub für alle“ verlangt und eine Woche Mallorca als Grundrecht verkaufen möchte, muss sich vor allem die Frage stellen: Was ist Armut?

Oder besser: Wie gehen wir im reichen Teil Europas mit Armut um?

War Frau Kipping vielleicht nicht nur im Pariser Quartier Latin, sondern auch ein wenig außerhalb? Wer heute Frankreich jenseits von Touristenpfaden besucht, sieht nur wenig Chic, aber dafür umso mehr Arbeits- und Obdachlosigkeit. Er sieht vor allem Jugendliche, die das ganze Jahr „Ferien“ haben. Sie brauchen keinen Urlaub, keine weitere Sozialhilfe, sie brauchen eine Perspektive.

Urlaub ist leider nur dann wirklich erholsam, wenn man ihn sich selbst hat verdienen dürfen. Aus dem Urlaub für alle auf Staatskosten kommt keiner „sehr entspannt“ zurück. Zurück in die Armut.

Wir in Österreich haben das Recht auf Urlaub bekanntlich ohnehin grandios gelöst. Bekommt ja jeder sein Urlaubsgeld? Das ist diese Teilentmündigung der Arbeitnehmer (der zweite Teil erfolgt vor Weihnachten). Weil wir uns das Geld für den Urlaub nicht auf die Seite legen können, behält ihn der Chef ein. Sicher ist sicher.

Apropos Chef. Selbstständige bekommen kein Urlaubsgeld, fahren aber trotzdem. Zumindest jene, die nicht in der Gastronomie und im Tourismus tätig sind. Deren Kinder sind zwar nicht zwangsläufig arm, kennen Sommerurlaub meistens aber auch nur vom Zuschauen. Sie wurden doch tatsächlich vergessen. All die armen Kinder, die nie einen Sommerurlaub haben, weil deren Eltern vom Sommerurlaub anderer leben. Was passiert mit denen, Frau Kipping?

E-Mails an:gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2014)

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