Andere führen Kriege, tu felix Austria – baue!

Eskalation in der Ostukraine? Kein Problem, wir bauen einfach eine Bahnlinie – meint man beim Wirtschaftsbund.

Es ist eine Idee, die seit Jahren durch die Gegend geistert – die Verlängerung der Breitspur bis nach Wien. Derzeit müssen die Waggons, die in Europa mit einer Spurweite von 1435 Millimeter fahren, in der Ostslowakei stehen bleiben. Ab dort können nur mehr Waggons fahren, die der russischen Breitspur von 1520 Millimetern entsprechen. Würde man diese Breitspur bis nach Wien verlängern, könnte die heimische Hauptstadt zu einem internationalen Umschlagplatz für Waren werden, die auf dem Landweg aus China kommen, so die Vision (dort fährt man zwar ebenfalls Normalspur, an der chinesisch/russischen Grenze muss also bereits einmal gewechselt werden, das tut der Vision aber keinen Abbruch).

Besonders angetan von dieser Idee ist seit jeher der Wirtschaftsbund Wien. Und ja – eine Verlängerung der Breitspur würde dazu führen, dass es bei Wien ein neues Güterterminal mit einer ganzen Menge an neuen Jobs gäbe. Eine tolle Sache also.

Allerdings hat die Verlängerung der Breitspur auch einige Haken – die der Grund dafür sein könnten, dass sich seit fast zehn Jahren und unzähligen Ankündigungen bisher noch nichts getan hat. So müsste um geschätzte neun Milliarden Euro quer durch die Slowakei eine Bahnstrecke parallel zu einer bereits bestehenden gebaut werden. Die Slowaken dürften das aber nicht bezahlen wollen. Ihnen brächte die Breitspur nämlich nur eines: dass ihr derzeitiges Umschlagzentrum in der strukturschwachen Ostslowakei ins reiche Österreich abwandert. Hinzu kommt, dass die Stimmung zwischen Russland und der Ukraine (jenen beiden Ländern durch die die Breitspur weiter im Osten führt) gerade nicht die Beste ist. Manche sprechen sogar von einem mehr oder weniger offenen Krieg.

Alles kein Grund für den Wiener Wirtschaftsbund, das Thema nicht gerade jetzt wieder verstärkt anzugehen. Die Verlängerung der Breitspur könne nämlich sogar ein „sinnvoller Akt“ sein, um „Frieden zwischen Russland und Europa zu etablieren“, so der Wiener Wirtschaftsbund-Chef Alexander Biach. Ob das Thema auf der Prioritätenliste in Moskau und Kiew zurzeit ebenfalls ganz oben steht, konnte leider nicht eruiert werden.

PS: Dass die unterschiedlichen Spurweiten einst eingeführt wurden, um militärische Invasionen zu erschweren, erwähnen wir in diesem Zusammenhang besser nicht.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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