Der schönste Satz bei „Kobra, übernehmen Sie“ lautet: „Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten.“ Das passt doch auch zu uns.
Vielleicht werde ich Anfang nächster Woche trotz des spätherbstlichen Wetters in die Innenstadt fahren, um mich unauffällig im Trenchcoat an die Sirk-Ecke zu stellen. Die Versuchung ist groß, denn die Krimiserie „Kobra, übernehmen Sie“, die im US-Original immer schon „Mission: Impossible“ hieß, zählt für mich zu den prägenden Erinnerungen aus dem Kalten Krieg. Nur „Immer, wenn er Pillen nahm“ und „Mini–Max“ schienen mir in frühester Jugend politisch noch amerikanischer zu sein.
Derzeit nämlich befindet sich der große Hollywood-Star Thomas Cruise Mapother IV in Wien, um für Teil V der Kinoversion dieser unendlichen Saga unmöglicher Aufträge unsere Stadt in ein Katastrophenszenario zu verwandeln. Vor der Oper und der Wirtschaftsuniversität wird gedreht, es muss sich also um einen kultivierten Öko-Thriller handeln. Vielleicht kann die Gegenspionage-Abteilung des Gegengiftes dort sogar live beobachten, wie das berüchtigte Syndikat mit all seinen Psychotechniken versucht, im Herzen Europas die Kontrolle über die Bundestheater und andere Exzellenz-Schmieden zu übernehmen. Vielleicht kriegen sogar unsere systemrelevanten heimischen Banken in dieser Operette der Weltverschwörung einen Cameo-Auftritt: „Her mit dem Zaster!“
Wovon die neue Mission handelt, scheint noch streng geheim zu sein. Doch darf man verraten, dass die Serie bisher immer mit einem Auftrag begann, der mit folgenden prägnanten Sätzen endete: „Sollten Sie oder jemand aus Ihrer Spezialeinheit gefangen genommen oder getötet werden, wird der Minister jegliche Kenntnis dieser Operation abstreiten. Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel Glück...!“
Nach dieser Botschaft der freiberuflichen Geheimagentur Impossible Mission Force (deren Abkürzung der des Weltwährungsfonds IMF bis auf den Artikel täuschend ähnlich sieht) macht sich Cruise alias Ethan Hunt auf, die Welt zu retten. Was aber treibt ihn nach Wien? Mag er Sachertorten oder gar andere Aspekte des süßen Wiener Wesens? Im Ausland ist die IMF, die zuhause in den USA gegen das Syndikat kämpft, normalerweise in erfundenen Diktaturen unterwegs. Als Locations dafür dienten bisher so unterschiedliche Städte wie Prag, Sydney, Shanghai oder Dubai. Warum also Wien? Ist es eine politische Botschaft an uns? Wir wissen es nicht.
Entscheidend für die Lösung wird wohl wieder eine Gummimasken-Szene sein: Der Böse entpuppt sich hinter dieser Maske als Ethan oder Ethan als Böser. Dazu hätten wir einen Vorschlag für folgende Sequenz: Ministerrat in Wien. Der Kanzler sagt: „Keine Vermögenssteuer!“ Der Vizekanzler sagt: „Steuererhöhung!“ Der Kanzler sagt: „Keine Bildungsreform!“ Der Vizekanzler sagt: „Keine Verwaltungsreform.“ Kreischend fliehen alle übrigen Kabinettsmitglieder. Faymann streift die Gummimaske ab – es ist Spindelegger! Spindelegger streift die Maske ab – es ist Faymann! Rot und Schwarz sind nicht zu unterscheiden. Was ist echt? Was gilt? Nicht einmal Tom kann uns aus dieser Misere retten.
E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)