Prüderie und seltsame Allianzen in den USA

Republikaner und Radikal-Feministinnen attackieren Lena Dunham: Sie soll ihre Schwester missbraucht haben, das stehe in ihrem neuen Buch.

Jeder, der Lena Dunham kennt, und das werden mit Erfolg der Fernsehserie „Girls“ immer mehr, weiß, dass sie sehr offenherzig ist: Ob in der Serie, die zum Teil auf eigenen Erfahrungen beruht und in der sie die Hauptrolle spielt. Oder in ihrem Roman „Not That Kind of Girl“, eben auf Deutsch bei S. Fischer erschienen. Dort beschreibt sie unter anderem ihre einzige sexuelle Begegnung mit einem Republikaner, die sehr abrupt endete, als sie bemerkte, dass das Kondom nicht an seinem Platz war – sondern auf der Zimmerpalme baumelte. Dorthin hatte der Student es „geworfen, weil er mich für zu doof oder zu blau oder zu notgeil hielt, um Einspruch zu erheben“.

Seine Parteigenossen haben das Buch jetzt jedenfalls sehr genau gelesen – und erheben heftige Vorwürfe. An drei Stellen gestehe Lena Dunham, dass sie ihre Schwester missbraucht habe, so die republikanische Website „Truth Revolt“. Zum einen erzählt sie, dass sie ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester Grace in die Vagina geschaut und dort Kiesel entdeckt habe – die Mutter habe sie dann entfernt. Zweitens erinnert sie sich daran, wie sie ihre Schwester zu kaufen versucht habe: „Drei Bonbons, wenn ich sie fünf Sekunden lang auf den Mund küssen durfte. Sie durfte entscheiden, was wir im Fernsehen guckten, wenn sie sich einfach ,auf mir entspannte‘. Alles, was ein Sexualstraftäter tun würde, um ein kleines Vorstadtmädchen für sich zu gewinnen, tat ich.“ In einer dritten Passage erklärt Lena Dunham, dass Grace regelmäßig bei ihr im Bett geschlafen habe. Und Lena Dunham habe sich dann selbst befriedigt.

So die Zitate. Im Buch – das viel rezensiert wurde, ohne dass diese Passagen aufgefallen wären – schreibt Lena Dunham über ihre Sehnsucht, von der Schwester geliebt und gebraucht zu werden, über ihre kindliche Neugierde, und dass es Grace war, die nicht alleine schlafen wollte und zur Größeren ins Bett flüchtete. Die dort eben tat, was sie immer tat.

Dunham hat nun der Website mit Klage gedroht und die Lesereise abgesagt, die sie u.a. nach Berlin führen sollte. Sie sei krank. Währenddessen hat sich in den USA eine Debatte darüber entwickelt, was normal ist unter Geschwistern und was nicht. Und siehe da – nicht nur Republikaner attackieren Lena Dunham, zum Teil auch radikale Feministinnen. Sie werfen ihr neben Missbrauch auch vor, dass sie ihre Schwester gegenüber den Eltern als Lesbe geoutet habe (unabsichtlich, auch das beschreibt sie).

Mittlerweile hat sich Grace Dunham selbst zu Wort gemeldet: Sie findet es wichtig, dass Lena Dunham so offen von ihren Erfahrungen berichtet. Die Gesellschaft „bezeichnet manche Verhaltensweisen als normal und andere als schädlich. Heute ist, wie jeder Tag, ein guter Tag, um darüber nachzudenken, wie man die Sexualität von jungen Frauen, von lesbischen, schwulen und transsexuellen Menschen zu kontrollieren versucht“.

Die Reaktion von feministischer Seite: Kinder müssen vor ihrer eigenen Neugierde bewahrt werden.

Die Reaktion von republikanischer: Der sexuelle Missbrauch hätte sie lesbisch gemacht.

E-Mails: bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2014)

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