Nur Verlierer sitzen am Samstagabend vor dem Fernseher

Saturday Night! Das müsste doch ein dunkel lockendes Versprechen sein. Wer dennoch zuhause bleibt, ist selbst schuld.

Eigentlich ist es ein TV-Skandal: Unter 300 Mitarbeitern in den Produktionshallen des „Gegengiftes“ fand sich kein einziger, der zugeben wollte, dass er in vergangenen Jahrzehnten am Samstagabend im Zweiten Deutschen Fernsehen die beliebte Sendung „Wetten, dass..?“ gesehen habe. Die meisten gaben vor, Saturday Night sei der letzte Rest an Gelegenheit, ungestört und ohne Reue seinem Triebleben nachzugehen, mit Freunden zu feiern oder für die Familie Coq au Vin zu kochen. Es soll Eltern geben, die ihre Kinder am Wochenende zu pädagogisch wertvollen Brettspielen zwingen. Ich gehe auch gern ins Kino oder angeln – aber das sind Ausreden für einfache Menschen vom Land, aus Paris oder New York.

Einzig ein stilsicherer Redakteur, der das große Ganze im Blick hat, eröffnete uns, dass es keinen Grund dafür gebe, an solchen Abenden einem Herrn im schlecht sitzenden Boss-Anzug dabei zuzusehen, wie er Langeweile verbreite. Nein, er meinte nicht die einstige ÖVP-Hoffnung Spindelegger, sondern einen Showmaster, muss also zumindest zum ZDFgezappt haben. „Aber trägt der Typ, der nach dem TV-Quiz ,Einer wird gewinnen‘für Lagerfeuerstimmung in Millionen deutschsprachigen Wohnzimmern gesorgt hat, nicht schrecklich bunte Sachen, die er wahrscheinlich den Mainzelmännchen gestohlen hat?“, wandte ich ein. Für diese Expertise muss ich jetzt büßen und den wenigen Dutzend Fans, die heute Abend den Abschied von „Wetten, dass..?‘ zelebrieren, sowie Milliarden Menschen, die diese Sendung gar nicht kennen, erklären, warum es sie trotzdem gefühlte 33 Millionen Jahre lang gegeben hat.

Tatsächlich finden sich dafür beim Nachspüren auf YouTube triftige Gründe. Es mag klüger sein, einen Betrüger zu beobachten (bei der Wette, dass er die Farben von Buntstiften blind an ihrem Geschmack erkenne), als vor seiner Gattin zuzugeben, man habe mit der Behauptung geblufft, ganz ohne Fachkunde ein fünfgängiges belgisches Menü hervorzaubern zu können. Es mag spannender sein, Leuten live bei der Selbstverstümmelung zuzusehen, als gegen Fünfjährige beim Viererschnapsen zu verlieren. Ich lenke vom Kern ab. Geben wir es zu: TV am Samstag ist etwas für Verlierer. Oder für Wiener in ihren Wochenendhäuschen. Käme heraus, dass unsere Regierung sich stets an solchen Abenden im Waldviertel träfe, um auf RTL gemeinsam „Das Supertalent“ zu schauen, würde mich das nicht wundern.

Warum ist dann also Schluss mit „Wetten, dass..?“? Das zähe Ableben der Sendung wird in den Gesichtern der dorthin eingeladenen Hollywood-Stars deutlich. Ihre Blicke sagen: „What am I doing here?“ Aufgefädelt verfolgen sie Aktionen, die nicht nur ihnen unverständlich bleiben. In Überlänge büßen sie für ein bisschen Promotion.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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