Revolution gegen Fundis

Slavoj Žižek glaubt, der liberale Westen brauche gegen Islamisten brüderliche Hilfe von radikalen Linken.

Kein islamistisches Massaker ohne Auslegung durch den Denker Slavoj Žižek. Auch nach der Terrorserie in Paris hatte er sofort eine Diagnose samt Heilmittel parat. Sein Rezept im Kommentar der aktuellen Ausgabe des progressiven britischen Journals „New Statesman“: Der angeschlagene Liberalismus des Westens brauche zum Überleben die brüderliche Hilfe einer erneuerten, radikalen Linken. Liberalen linken Relativisten rät er, sich nicht vor Islamophobie zu fürchten. Zurückhaltung würde Islamisten nur noch mehr provozieren.

Im Kern erklärt Žižek Fundamentalismus und Liberalismus zu zwei Seiten einer Medaille. Diese Idée fixe hat er zumindest seit den 9/11-Anschlägen arabischer Extremisten in den USA. Dass der Kapitalismus und mörderische Moslems einander bedingen, steht bereits 2002 in seinem Buch „Welcome to the Desert of the Real“ und wird von ihm seither immer wieder variiert. Er bemüht dafür häufig zwei Zitate – eines von Nietzsche, der im „letzten Menschen“ angeblich die Apathie der heutigen Moderne prophezeite, eines aus „The Second Coming“ von W. B. Yeats: „The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.“

Dem Westen mangle es an fester Überzeugung, meint Žižek, aber die Terror-Islamisten seien keineswegs voll leidenschaftlicher Intensität. Nein, diese „Pseudo-Fundamentalisten“ bekämpften in ihrem Feindbild nur die eigenen Versuchungen zur Sünde. Er fragt sich: „Wie fragil muss der Glaube eines Moslems sein, wenn er sich durch eine dumme Karikatur in einem Satiremagazin bedroht fühlt?“

Fundis und Faschisten resultieren für Žižek aus versäumtem Klassenkampf. Man könnte auch fragen: Wie weit nach links müssen Liberale abdriften, damit sie sich von einem, der um verpasste Revolutionen trauert, retten lassen wollen?

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

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