Die vorvorvorletzte Nackte ist Lucy, 25, aus Warwick

Die englische Boulevardzeitung „The Sun“ beendet die seit 1970 laufende Serie der „page three girls“. Sie wirkte längst altväterlich.

„Your page three girl today is Lucy, 25, from Warwick“, erfuhr man am Dienstag auf der Homepage der britischen Boulevardzeitung „The Sun“. Lucy ist die Vorvorvorletzte an dieser Stelle: Am Freitag erscheint das letzte Oben-ohne-Mädchen in der „Sun“; 1970, bald nach Übernahme des Blattes durch Rupert Murdoch, war das erste erschienen.

So endet eine lange Reihe der entblößten Brüste, damit eine Form der institutionalisierten erotischen Darstellung, die heute vielen anachronistisch, fast lächerlich vorkommt. Die deutsche „Bild“-Zeitung hat ihr Seite-eins-Girl bereits 2012 abgeschafft, programmatisch am Weltfrauentag (8.März), vergleichbare Darstellungen finden sich freilich weiter im Blattinneren. Die „Nackerte auf Seite fünf“ der österreichischen „Kronen Zeitung“ war noch ein Stereotyp (vor allem für schwächere Kabarettisten), als sie längst auf Seite neun gewandert war. Dort findet man heute noch oft eine Nackte, allerdings im Advent nie. Die verwandte U-Bahn-Zeitung „Heute“ berücksichtigt die gestiegene erotische Bedeutung männlicher Oberkörper, indem sie auf ihrer Seite abwechselnd Männer und Frauen zeigt.

Es gibt mindestens einen älteren Redakteur einer seriösen Zeitung, über den es heißt, er habe als junger „Krone“-Volontär die Texte zu diesen Bildern verfasst. Das ist nämlich nicht leicht: Es soll neutral bis leicht lasziv klingen, aber nicht ordinär. Die anzüglichsten Sprüche, oft mit Metaphern aus der Welt des Handwerks (Rohr verlegen etc.), standen indessen in der „Bild“-Zeitung, sie stammten von der studierten Medizinerin und späteren Society-Reporterin Katja Kessler. Sie waren so blöd, dass sie schon wieder gut waren – also „camp“ im Sinn von Susan Sontag oder kultig, wie man in den Neunzigerjahren sagte.

Zurück zum grauen Page-Three-Alltag. „Caught between the weather and the crossword, back to back with dull page four“: So beschrieb die Mod-Band The Lambrettas das Phänomen im Song „Another Day, Another Girl“. Das war 1980, sechs Jahre später kam das erste Ex-Page-Three-Girl in die Hitparade: Samantha Fox mit „Touch Me (I Want Your Body)“.

Ebenfalls in den Achtzigern strebte die Labour-Abgeordnete Clare Short eine „Page Three Bill“ an: Das Gesetz sollte eine Zeitung als Drucksorte definieren, die keine Nackten abbildet. Damit hätten „Sun“ und andere „Tabloids“ den Status als Zeitung verloren. Die Initiative scheiterte.

2014 startete die Schauspielerin und Buchautorin Lucy-Anne Holmes die Kampagne „No more page three“– mit dem Slogan „Because boobs aren't news“ und einem Song namens „Now's the Time“. Der ziemliche platte Text (mit Zeilen wie „We can't lose if we're together“) gipfelt in der eher ein- als zweideutigen Aufforderung „Turn our back upon the sun“. Das ist jetzt nicht mehr nötig.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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