Wenn der Whistleblower aus der eigenen Redaktion pfeift

Die „TAZ“ zeigte einen Mitarbeiter an, der seine Kollegen ausgespäht haben soll. Ist er auch für die „Spionageaffäre“ bei der „SZ“ verantwortlich?

Es ist wohl eine Horrorvorstellung für jedes Unternehmen: einen Spion in den eigenen Reihen zu haben. Sowohl die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) als auch die Berliner „TAZ“ wurden, wie sich vergangene Woche herausgestellt hatte, abgehört – von einem eigenen Mitarbeiter. Deutsche Medien berichten, dass hinter den beiden „Spionagefällen“ dieselbe Person stecken könnte.

Aber von Anfang an: Am 16.Februar veröffentlichte „TAZ“-Redakteur Sebastian Heiser auf seinem privaten Blog einen Artikel, in dem er die Redaktion der „SZ“ beschuldigt, Schleichwerbung betrieben zu haben. 2007, Heiser war damals in der Beilagenredaktion der „SZ“ beschäftigt, soll eine Seite mit dem Titel „Geldanlage im Ausland“ erschienen sein, die dem Leser Steuerhinterziehung durch „Verlagerung des Depots ins Ausland“ schmackhaft gemacht habe. Anlass für den Artikel sei eine gut bezahlte Anzeige der Tiroler Sparkasse gewesen.

Die „SZ“ wies die Vorwürfe zurück, die NDR-Mediensendung „Zapp“ befand, dass Heisers Vorwürfe nicht stichhaltig seien. Kritik galt vor allem den Methoden, mit denen Heiser seine Geschichte untermauerte: Er postete auf seinem Blog zahlreiche geheime Mitschnitte von Gesprächen mit Kollegen der „SZ“. Dass die unbefugte Aufzeichnung eines Gesprächs strafbar ist, hat er zwar eingeräumt – doch ergebe sich für Journalisten schon aus dem Grundrecht der Pressefreiheit eine Befugnis, verdeckt zu ermitteln.

Während der Vorfall in den deutschen Feuilletons und auf Twitter unter dem Hashtag #szleaks diskutiert wurde, entdeckte ein EDV-Mitarbeiter der „TAZ“ ein kleines Gerät, das zwischen Tastatur und dem USB-Slot des Rechners einer Praktikantin steckte: Ein Keylogger, der protokolliert, was in einen Computer eingegeben wird – etwa Passwörter und vertrauliche Informationen. Um herauszufinden, wer das kleine schwarze Gerät angebracht hat, wurde es wieder am Computer der Praktikantin platziert – der Datensammler könnte ja zurückkommen.

Er kam zurück. Ein Mitarbeiter sei dabei beobachtet worden, wie er versucht hat, den Keylogger unauffällig abzuziehen, erklärte die „TAZ“ am Montag. Von der „Spionageaffäre“ seien Ressortleiter ebenso betroffen wie Praktikanten. Gegen den unter Verdacht stehenden Kollegen sind demnach arbeits- wie auch strafrechtliche Schritte eingeleitet worden.

Medien wie „Die Welt“ oder die „FAZ“ berichteten nun, dass hinter #tazgate und #szleaks derselbe Mann stecken könnte: Heiser, der sich bei der „TAZ“ als Investigativjournalist einen Namen gemacht hat. Erwiesen ist das nicht, auch die „TAZ“ nannte in ihrer Stellungnahme keine Namen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Einen Schnüffler dürfte es jedenfalls gegeben haben. Möglicherweise einen, der – wie Heiser bei der „SZ“ – unlautere Mittel einzusetzen bereit ist, um einer „guten Sache“ zu dienen. Heiser wartete sieben Jahre, bis er seine „Enthüllung“ publik machte. Was werden wir von der „TAZ“ noch hören?

E-Mails an: katrin.nussmayr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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