Wer gar nicht prüft, muss länger leiden

Ein grüner Landesrat in Kärnten lässt Umweltschützer abblitzen, um ein Kraftwerk schneller bauen zu lassen – und erreicht das Gegenteil.

Wer in Österreich ein Kraftwerk bauen will, wartet „unerträglich lange“ auf seine Genehmigungen, klagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber seit Jahren. Nicht nur er, die gesamte Wirtschaft scheint einig zu sein: Ein paar Jahre für eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sind einfach nicht drin. Schon gar nicht in einer wirtschaftlichen Situation, in der Österreichs Betriebe ohnedies jeden Cent dreimal umdrehen, bevor sie ihn wirklich investieren.

Zum Glück haben einige besonders weise Landespolitiker dieses Problem erkannt – und würgen schon im Vorfeld jede Debatte über eine mögliche UVP ab. So wie der Kärntner Energielandesrat Rolf Holub. Das Ökobüro, eine Umweltschutzorganisation aus Wien, hat sich im Sommer mit der Bitte an ihn gewandt, er möge doch prüfen, ob ein umstrittenes Biomassekraftwerk in Klagenfurt nicht doch eine UVP bräuchte. Holub, pikanterweise selbst ein Grüner, wollte davon nichts wissen und ließ die Umweltschützer abblitzen.

Zu Unrecht, wie nun das Bundesverwaltungsgericht urteilte. Kärnten hätte prüfen müssen, ob das Projekt UVP-pflichtig ist. Holub hat darauf verzichtet und ging lieber auf Konfrontationskurs mit seiner Partei, die schon seit Langem fordert, dass auch Umweltschutzorganisationen eine UVP-Prüfung anregen dürfen.

Hemmen die Richter einen pragmatischen Landesrat, der nur ein Verfahren etwas abkürzen wollte? Hat Holub Schulterklopfen verdient, weil er zum Wohl der Wirtschaft ein Auge zudrückt? Noch dazu für ein grünes Biomassewerk. Da sollten doch nicht mal Ökofundis etwas dagegen haben, oder?

Aber so einfach ist es hier nicht. Denn das strittige Biomassekraftwerk hat eine Vorgeschichte. Als Lieblingsprojekt des FP-Bürgermeisters in Klagenfurt ist es nicht nur politisch umstritten. Auch die Industrie läuft dagegen Sturm, weil sie fürchtet, dass das Holz knapp wird. Damit das Werk in die schwarzen Zahlen kommt, müssen die Stromkunden hundert Millionen Euro an Zuschüssen abdrücken. Zudem hätten die Projektwerber versucht, die ungeliebte Prüfung der Umweltfolgen zu umgehen, mutmaßte das Landesverwaltungsgericht, als es im Sommer die Genehmigung aufhob. Die sehen das anders. Die UVP wurde „nicht umgangen“, sagte der Klagenfurter Stadtwerke-Chef, Romed Karré, zur „Presse“. Sie wurde nur „vermieden“. Aber auch mit den sprachlichen Feinheiten ist nun Schluss. Das Land wird die UVP-Pflicht prüfen müssen.

Was bedeutet dieses Urteil jenseits von Kärnten? Konsequenterweise müssten künftig alle Umweltschutzorganisationen die Prüfung auf UVP-Pflicht einfordern dürfen. Für Österreich hieße das zwei Dinge: Erstens, Anwälte müssen keine Flaute fürchten. Zweitens, für Projektwerber wird es nicht unbedingt einfacher. Eine UVP-Pflicht wird nun öfter geprüft werden, und das ist auch gut so. Entscheidend ist, dass die UVP selbst innerhalb eines guten Jahres erledigt wird. Sonst ist dieses Urteil Gift für die Wirtschaft.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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