Das Glück aus der Chefetage

Chief Happiness Officer (CHO) im Vorstand – wenn das nur gut geht!

Das Streben nach Glück gehört zum nationalen Motto der Amerikaner. Nun beglückt uns das Land der unbegrenzten Merkwürdigkeiten mit einem neuen Trend: dem Chief Happiness Officer (CHO) als Vorstandsmitglied. Er soll die Mitarbeiter glücklich machen, denn das macht die Kunden glücklich und schließlich die ganze Welt. Das Anforderungsprofil: immer gut drauf sein. Die Jobbeschreibung: Nicht nur Feiern, Teambildungsevents und Trainings organisieren, sondern die ganze Firmenkultur umkrempeln, hin zu mehr Zufriedenheit.

Damit angefangen hat man bei Google (wo sonst). Im Silicon Valley ist die Mode schon stark verbreitet, aber auch Restaurantketten springen auf den Zug auf. Beraten lassen sich die Pioniere gern von einem findigen Typen, der erst den Bestseller „Glück liefern“ schrieb und jetzt ebendieses tut. Sein Team misst das Glücksniveau aller Mitarbeiter nach einem „Happy Business Index“ und rechnet mit einem Kalkulationsprogramm vor, wie viel Zusatzprofit mit der Hebung dieses Niveaus zu erzielen ist.

Denn eine Geste reiner Nächstenliebe ist das teure zusätzliche Vorstandsmitglied natürlich nicht. Makroökonomen in den USA diagnostizieren seit Jahren sinkende Produktivität. Und Psycho-Experimente zeigen, was sich dagegen tun lässt: Spielt man den Probanden eine Comedy-Show vor, sind sie danach viel produktiver und innovativer. In der Folge sinken Krankenstandsrate und Fluktuation. Am Ende ist auch der Finanzvorstand total glücklich. Seelenlagen lassen sich nicht messen? Hirnforscher wissen es klarerweise längst besser: Es geht um die relative Aktivierung des linken präfrontalen Cortex im Vergleich zum rechten. Der Google-CHO schwört auf einen buddhistischen Mönch, der im Magnetresonanztomografen alle Rekorde gebrochen hat. Vermutlich statten uns also die Controller bald mit Sensoren aus. Schöne, neue, glückliche Welt.

Nur Forscher können uns vor dem Furor der Forscher bewahren. Gottlob gibt es Psychologen, die warnen. Nach ihren Studien leben Menschen, die in ihrer Jugend als Happy Pepis beliebt waren, deutlich kürzer als der grantelnde Rest (denn Übermut tut selten gut). Und Menschen, die sich das eigene Glück als konkretes Ziel setzen und ihr Leben danach inszenieren, sind am Ende oft schrecklich unglücklich.

Das wussten freilich schon die antiken Philosophen: Das Glück taugt nicht als Lebensziel. Wer es anstrebt, scheitert. Es fällt uns als unverhoffter Lohn zu, während wir uns um ganz andere Dinge sorgen. Was auch dem Volksmund nicht fremd ist. „Das Glück ist ein Vogerl“ muss man den Wissenschaftlern, Coaches und CHOs von heute freilich näher erklären: Es ist ein Vogel, den kein Ornithologe der Welt jemals vermessen kann. Zum Glück.

Emails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

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