Keine Pampa-Rinder für die Argentinier

Die feinen Rinderfilets werden ins Ausland exportiert. Den Einheimischen bleibt nur ungesundes Mastfleisch.

Nach acht Jahren in der Pampa erlaube ich mir diese Polemik: Die Argentinier haben keine Ahnung von Fleisch!

Gewiss, das klingt jetzt so, als würde ich behaupten, die Chinesen hätten keinen Dunst von Reis oder die Japaner verstünden nichts vom Fisch. Sicher werde ich jetzt für verrückt erklärt von Lesern, die in österreichischen Supermärkten wunderbare Filets von Pamparindern kaufen. Denn, ja, die gibt es – in Europa, aber eben nicht hier. Wir hier müssen Jungbullen verzehren, die acht ihrer 16 Lebensmonate im „Feed Lot“ aufwuchsen. Kein Auslauf, aber Tag und Nacht Kraftfutter, angereichert mit Antibiotika und Blähungshemmern, denn die Natur hatte Rindern weder Soja noch Mais in den Speiseplan geschrieben. Der argentinische Viehzüchter hat das geändert – auch aufgrund staatlich verordneten Preisdrucks. Wie oft habe ich meinen Metzger Marcelo angefleht, er möge mir anständige Bifes organisieren, ein Vacio oder auch Matambre, wie jene, die es hier früher gab. Den doppelten Preis habe ich ihm geboten, den dreifachen. „No hay“, sagt er „gibt's nicht“. Weidemastfleisch wird exportiert. Hier bleibt die Fadesse aus dem Feed Lot.

Und, das ist erbärmlich: Es ist allen wurscht! Ständig wird Buenos Aires lahmgelegt von aufgebrachten Demonstranten, aber niemand, wirklich niemand hat protestiert, als die Rinder von den Weiden verschwanden, auf denen nun Gensoja wuchert. Niemand hat das Aroma der Pampagräser vermisst, nicht mal das viele Fett in den Filets stört die Leute, deren Kinder, so berichten die Kinderarztverbände, von Jahr zu Jahr dicker werden. Noch schlimmer: Anstatt Fleischhauer zu boykottieren und Schlachthöfe zu belagern, grillen, rösten und fressen sich die Gauchos zu immer neuen Weltrekorden: 116,4 Kilo Fleischwaren konsumierte jeder Argentinier im Vorjahr, davon 45 Kilogramm Huhn, das hierzulande derart viel Hormone enthält, dass es eigentlich als Sondermüll entsorgt werden müsste.

Bei jedem Besuch in der Heimat fahre ich in den Großmarkt, suche mir ein zweieinhalb Kilo schweres Entrecote mit Herkunftsstempel aus Buenos Aires, Entre Rios oder Santa Fé und lege es auf den Grill. Im Ganzen, mit 20 Zentimetern Abstand zu den Kohlen und, wichtigstes Gebot, mit aller Ruhe. Wenn es kalt ist oder windig, kann man den Schnitt auch abdecken, dann bekommen die Steaks ein leichtes Räucheraroma. So soll das sein.

So sollte das sein in Argentinien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2015)

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