Gutachten: Hängt ihn höher

File photo of an employee of the Bavarian public sector bank BayernLB walking near the bank's logo in Munich
File photo of an employee of the Bavarian public sector bank BayernLB walking near the bank's logo in MunichREUTERS
  • Drucken

Ein heimischer Spitzenbeamter erstellt ein juristisches Gutachten für die BayernLB. Ein Skandal?

Es war ein schmerzhaftes Urteil. Vor einer Woche entschied das Landgericht München, dass jene 2,4 Mrd. Euro, die von der BayernLB einst der Hypo Alpe Adria als Kredit gewährt wurden, kein – wie von Österreich argumentiert – nicht rückzahlbares Eigenkapital waren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Hypo-Bad-Bank Heta in Berufung ging. Dennoch könnte es das Präjudiz für eine teure Niederlage der Republik sein.

Maßgeblich für die Entscheidung des Münchner Gerichts war das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen – eines Mainzer Juristen. Dieser berief sich unter anderem auf ein Privatgutachten, das ein Spitzenbeamter aus dem österreichischen Justizministerium im September 2013 für die BayernLB erstellt hatte.

Dieses Detail wurde dieser Tage medial ausgeschlachtet. Garniert mit einem Faksimile des Gutachtens und Wörtern wie „Staatsfeinde“ wurde der Beamte in dem Bericht mit vollem Namen in die Öffentlichkeit gezerrt. Die Reaktionen in den Internetforen waren heftig. Die Forderung nach Entlassung war noch das mildeste, was dem Mann gewünscht wurde.

Was war nun sein „Verbrechen“? Er hat in dem Gutachten, das der „Presse“ vorliegt, das Eigenkapitalersatzgesetz interpretiert, für das er hierzulande als Experte gilt. Dabei kam er zu dem Schluss, dass bei Gesellschaften, für die spezifische Eigenkapitalvorschriften gelten (also etwa Banken), die Prüfung, ob diese Vorschriften erfüllt werden, aus den jeweils aktuellsten Unterlagen (etwa Jahresberichten) erfolgen muss – der Kreditgeber aber nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit dieser Unterlagen zu prüfen. Eine im Fall der Hypo wichtige Aussage. Die Bank wies für die betreffenden Jahre nämlich genügend Eigenkapital in ihren Büchern aus – allerdings nur, weil sie zu geringe Abschreibungen vornahm, wie sich in Gutachten später herausstellte.

Die Rechtsansicht des Beamten stützt also die Linie der Bayern, dass das Ausmaß der Krise der Hypo damals noch nicht ersichtlich war und das Geld somit ein rückzahlbarer Kredit sei. Übrigens: Auch die Nationalbank bezeichnete die Hypo im Herbst 2009 als „not distressed“ (nicht notleidend). Und der Chef der Finanzprokuratur – also der oberste Anwalt der Republik –, Wolfgang Peschorn, meinte 2011 im Kärntner U-Ausschuss: „Hätte man nicht die Liquidität in Kernkapital umwandeln können, also das Geld von der BayernLB in der Bank belassen? Hätte hier nicht das Eigenkapitalgesetz zur Anwendung kommen können? All diese Fragen kann ich mit gutem Gewissen beantworten: Nein.“

Somit stellen sich im „Gutachter-Skandal“ einige Fragen: Wer soll österreichisches Recht interpretieren, wenn nicht österreichische Juristen? Und: Was passiert mit jenen Richtern, die in Wien zwischen Bayern und der Republik entscheiden müssen? Werden auch sie zu „Hochverrätern“, wenn sie nicht wunschgemäß urteilen?

Natürlich wäre es jedem Steuerzahler lieber, das Hypo-Milliardengrab würde nicht größer. Dass dafür aber jegliche Grundsätze eines Rechtsstaates über Bord geworfen werden, ist der Republik schlicht nicht würdig.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.