Mozarts Haare und Bruckners Gummistrümpfe

Sotheby's versteigert Beethoven- und Mozart-Locken. Zu deren Zeit war man versessen auf haarige Andenken.

Als Beethoven tot auf der Bahre lag, musste er noch viele Haare lassen. Zur letzten Ehre nämlich, die ihm die Besucher erwiesen, gehörte bei einigen das Mitnehmen von Haaren; der Sohn eines Jugendfreundes von Beethoven erzählte später, sein Vater habe ihm erlaubt, gegen Ende der Aufbahrung (um den Toten nicht schon früher zu verunstalten), ein paar davon „mitgehen zu lassen“ – aber der Schädel war bereits ratzekahl, andere waren ihm zuvorgekommen.

Eine sehr kleine Haarprobe von Beethovens Kopf versteigert Sotheby's am Donnerstag in London, außerdem eine größere von Mozart (man erwartet bis zu 12.000 Pfund dafür, viermal mehr als für Beethovens Überrestchen). Mozarts Haare hat angeblich Witwe Konstanze der Mutter des deutschen Komponisten Karl Anschütz geschenkt; der kam 1849 nach England, dort soll er die Haare dem Musiker Sir Arthur Somervell gegeben haben, einem der erfolgreichsten englischen Liedkomponisten.

Haarlocken berühmter Verstorbener waren gerade im 19. Jahrhundert beliebte Andenken, man gab sie gern in Schmuckstücke. Aber nicht alle warteten, bis der Berühmte tot war; in der Duschek-Villa in Prag kann man ein Gefäß mit 13 vermeintlichen Mozart-Haaren bewundern; die Sängerin und Mozart-Freundin Josepha Duschek soll sie an einem feuchtfröhlichen Abend dem ungepuderten Zopf des Komponisten geraubt haben.

Mozarts Haare, echt oder nicht, sind Reliquien, bei ihnen genügt der Glaube. Untersucht man sie, geht es ihnen am Ende wie jenen im Mozarteum; alle vier gehören zu unterschiedlichen Menschen, weiß man heute, und jene zwei, an denen eine DNA-Untersuchung möglich war (bei 200 Jahre alten Haaren keine Selbstverständlichkeit) passen genetisch beide nicht zum angeblichen Mozart-Schädel im Mozarteum.

Als man 1997 tausend Jahre Österreich feierte, wusste man das noch nicht. Auf der Schau „1000 Jahre Musik in Österreich“ zeigte man Mozarts Locken, aber auch Haare von Brahms und Schubert, außerdem Teile von Beethovens Leichenkleid und Bruckners Gummistrümpfe. Über eine „Nekrophilen-Party“ spottete damals der „Spiegel“. Das Millennium beweise, „dass wir Österreicher nicht in der Lage sind, Feste zu feiern“, meinte der Chef des Bundestheaterverbandes, Georg Springer. „Das Selbstgestalten solcher Ereignisse liegt uns nicht, wir sind nur gut im Mitfeiern.“ 20 Jahre später hat der Song Contest immerhin das Gegenteil bewiesen.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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