Börse: Die Hormone der Händler bieten mit

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Auf Finanzmärkten geht es nicht nur nach den Gesetzen der Vernunft zu, die Akteure sind auch Getriebene.

Wie geht es an den Börsen zu? Na ja, höchst rational, man sieht es im TV allabendlich im Börsenbericht: Da erklärt der Analyst, dass die Kurse gefallen sind, weil der Ölpreis gefallen ist; tags darauf erklärt derselbe Mann im selben Ernst, dass die Kurse gefallen sind, weil der Ölpreis gestiegen ist, so geht das dahin, es ist eine Perle des TV-Humors.

Der lebt davon, dass jeder weiß, dass Börsen nicht nur von Rationalität – beim Abwägen heutiger und künftiger Werte – regiert werden. John Maynard Keynes sah auch „animal spirits“ am Werk, die unter Handlungsdruck bringen und Risken impulsiv eingehen lassen, nicht überlegt. Und wer Keynes nicht mag, kann sich an Alan Greenspan halten, der sah bei Börsenhändlern bisweilen „irrationalen Überschwang“ und machte den dafür verantwortlich, dass Finanzmärkte außer Rand und Band geraten.

Was steht dahinter? Eine Hypothese setzt auf Sozialverhalten – das von Herden, die in eine Stampede geraten –, eine andere auf Umwelt und Hormone: An Börsen ist der Stress hoch und der Wettbewerb hart. Für Letzteres wappnet das Sexualhormon Testosteron, für Ersteres das Stresshormon Cortisol. Beide gerieten früher schon ins Visier, Ökonom Carlos Cueva (Alicante) hat ihre Wirkung nun im Labor getestet, an Studenten, die eine Börse simulierten: Beide Hormone steigern, wenn sie verabreicht werden, die Risikobereitschaft bis in Höhen, in denen sie laut Cueva „Finanzmärkte destabilisieren können“ (Scientific Reports 2.7.). Aber sie müssen gar nicht im Labor verabreicht werden, sie kommen auch auf dem Parkett, ganz von allein: Steigt die Unsicherheit, produziert der Körper mehr Cortisol, winkt hoher Gewinn, kommt mehr Testosteron.

Wenn Börsianer dann auch noch krank sind bzw. therapiert werden, wird es vollends unübersichtlich: Beatrice Golomb (UC San Diego) hat bemerkt, dass Cholesterinsenker – Statine – bei Männern auch die Aggressivität senken, bei Frauen hingegen heben (PLoS ONE 1.7.). Und Molly Crocket (University College London) ist an Psychopharmaka aufgefallen, dass Dopamin-hebende – sie werden etwa bei Parkinson eingesetzt – die Selbstsucht steigern, während Serotoninstärker – Antidepressiva – sie senken (Current Biology 2.7.). All das mag auch in Börsenkurse einfließen.

E-Mails: juergen.langenbach@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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