Der Fuchs, der Wolf und ein Frauenmörder

Dramatiker erobern das weite Feld des Romans – zumindest auf der Shortlist des Leipziger Buchpreises.

Was ist los mit dem Roman, was ist los mit dem Theater im deutschsprachigen Raum? Wenn die fünf Nominierungen zum Preis der Leipziger Buchmesse (für Belletristik) ein Trendsetter sind, dann wird 2016 ein außergewöhnliches Jahr. Drei der Autoren, die hoffen, am 17. März in der Kategorie Schöngeistiges zu gewinnen, sind bisher vor allem Stars der darstellenden Künste – Roland Schimmelpfennig und Nis-Momme Stockmann als Dramatiker, Heinz Strunk als Entertainer.

Die einzige Kandidatin auf der Shortlist, Marion Poschmann, ist mit einem Gedichtband vertreten. Allein Guntram Vesper garantiert diesmal, dass ein großer Romancier in Leipzig ausgezeichnet werden könnte. (Diesmal wurde bei 400 Bewerbungen weder für die Belletristik noch für das Sachbuch noch für die Übersetzung jemand aus Österreich fürs Finale nominiert.) Bedeutet also die Auswahl eine Episierung des Theaters oder gar eine Dramatisierung der Prosa?

„Der Fuchs“ (Rowohlt), das Romandebüt des mehrfach preisgekrönten, vielseitigen Schriftstellers Stockmann, beginnt apokalyptisch mit einer großen Flut in einer kleinen norddeutschen Stadt. Sein Protagonist wirft sich in einen Strom der Erinnerung. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis dieser Stoff verfilmt wird.

Schimmelpfennig, der meistgespielte deutsche Gegenwartsdramatiker, lässt uns in seinem Romandebüt vor Einsamkeit frösteln: „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ (S. Fischer) ist nicht auf den Fuchs gekommen, sondern auf den Wolf, der gleich zu Beginn an einer Autobahn bei Berlin auftaucht. Bühnentauglich? Fauna gab es bereits reichlich in seinem Drama „Das Reich der Tiere“.

Dramatisch gibt sich auch die Geschichte von Strunk, der bereits leichte Bestseller geschrieben hat: „Der goldene Handschuh“ (Rowohlt) hingegen handelt von einem Frauenmörder auf der Reeperbahn im Hamburg der Siebzigerjahre. Kein Stoff für Strunks Comedy-Trio Studio Braun, sondern etwas wirklich Ernstes.

Vielleicht beginnt aber in Leipzig 2016 ein Boom für Lyrik. Poschmann wäre dieser Preis für die schöne Literatur zu gönnen: „Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien“ (Suhrkamp) sind welterfahren und reich an Metaphern.

Wer aber möchte Vesper übergehen? Der Roman „Frohburg“ (Schöffling & Co.) wird als sein Opus magnum angepriesen. In der Kleinstadt südlich von Leipzig wurde der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller 1941 geboren. 1957 floh seine Familie in den Westen. Nun spricht also die Erinnerung. Ein Ost-West-Roman! Der ist naturgemäß Favorit.

E-Mails: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)

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